Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
rückwärts ins Haus zurück und schloss die Tür.
Ich muss diese Nella finden, dachte Laura. Vielleicht hat einer der Brüder Denner Valeria Gewalt angetan, und die Cabun-Frauen haben sie gerächt. Eine völlig absurde Idee, aber sie passte zu Katzenköpfen und Geschichten über Frauen, die ihre Würde mit äußerster Gewalt verteidigten.
Sie folgte den verwinkelten Gassen immer weiter nach oben, war vor dem Rathaus mit Guerrini verabredet. Auf einer der kleinen Terrassen über dem Meer blieb sie stehen, lehnte sich an die sonnenwarme Mauer und wählte Baumanns Nummer. Er meldete sich sehr schnell.
«Na endlich», sagte er. «Dachte schon, dass du jetzt Urlaub machst!»
«Würde ich gern! Aber hier passieren seltsame Dinge. Ich finde inzwischen den Gedanken gar nicht mehr so abwegig, dass die Denners tatsächlich eine Frau gesehen haben, die Valeria zum Verwechseln ähnlich ist.»
«Kann ich die Suche nach Malenge abblasen?»
«Habt ihr denn immer noch keine Spur von ihm?»
«Nicht die geringste.»
«Abblasen würde ich nicht sagen, dazu sind die verdammten Gentests zu eindeutig. Auf Sparflamme suchen, würde ich sagen. Aber besuch doch Frau Dr. Denner. Stell ihr einfach Fragen nach ihrem Schwager, nach der Frau, die sie angeblich gesehen hat, und frag auch nach Valeria. Es wird dir schon was einfallen. Geh ihr richtig auf die Nerven. Kannst du das?»
«Mit Vergnügen!»
«Wie geht’s denn ihm?»
«Erholt sich allmählich. Allerdings starrt er dauernd auf die Tür und denkt, dass Valeria gleich reinkommt. Die haben jetzt einen Psychologen auf ihn angesetzt.»
«Hm.»
«Na ja, es geht ihm wohl nicht besonders gut. Aber wie stehen denn deine Ermittlungen in den Cinque Terre – abgesehen von deinem angenehmen Reisebegleiter …»
«Was?»
«Tut mir Leid. Ich hab zufällig durchs Fenster geschaut, als du dich mit Guerrini auf dem Domplatz getroffen hast.»
«Aha.» Laura brauchte ein paar Sekunden, um Baumanns Bemerkung zu verdauen. «Hör mal», erwiderte sie endlich. «Ich … mag so was nicht. Und du weißt es ganz genau. Wir haben diese Diskussion schon mehrmals geführt. Es ist meine Sache und damit basta. Klar?»
«Natürlich weiß ich das. Aber ich finde, dass du ganz schöne Risiken eingehst. Dienstreise mit dem Liebhaber – keine Ahnung, was der Chef dazu sagen würde.»
«Auch das ist meine Angelegenheit und mein Risiko. Außerdem komme ich hier ziemlich gut voran und bin spätestens übermorgen zurück.»
«Aber …»
«Ich möchte nicht mehr darüber reden, Peter.»
«Wie genau kommst du voran?»
«Ich suche die Doppelgängerin von Valeria, und meine Chancen stehen nicht schlecht.»
«Ah! Du hältst sie also nicht für ein Hirngespinst?»
«Möglicherweise nicht.»
«Kannst du dich etwas klarer ausdrücken?»
«Nein!»
«Na, dann …»
«Dann ciao!»
Laura steckte den kleinen Apparat zurück in den Rucksack und versuchte, sich nicht zu ärgern. Sagte sich, dass Baumanns Reaktion ganz normal war, dass er die Geschichte für sich behalten würde … Würde er? Möglicherweise machte er Claudia gegenüber Andeutungen – aber Claudia stand auf ihrer Seite. Nie würde Baumann etwas zum Chef sagen. Ganz sicher nicht. Warum konnte er nicht endlich dieses Spielchen aufgeben … Laura mochte ihn wirklich, aber nicht seine Gockeleien.
Sie warf den kleinen Rucksack über ihre Schulter, setzte die Sonnenbrille auf, weil das Glitzern des Meeres sie blendete. Dann löste sie sich von der warmen Mauer und stieg schnell zum Rathaus hinauf. Guerrini war noch nicht da, deshalb hatte sie Zeit, das riesige Wandgemälde zu betrachten, das direkt auf die Mauer unterhalb des Rathauses gemalt war. Das Fresko zeigte eine junge Frau, auf dem Rücken im Meer treibend, ihre langen Haare wallten, ihr Gesicht schimmerte blaugrün. Sie wirkte wie eine Welle, ein Teil des Mittelmeers, und sie war in Lauras Augen eindeutig tot – ertrunken vielleicht, völlig hingegeben an die Elemente … oder überwältigt von ihnen. Schlimmer noch, sie ähnelte Valeria Cabun so sehr, dass Laura den Atem anhielt.
Links und rechts von der grünen Schönen waren Fischer abgebildet, manche ertranken gerade im tückischen Wasser, andere holten Netze ein. Helden alle miteinander.
Laura wusste, dass Silvio Benedetto der Maler war – vermutlich auch Kommunist, denn seine Bilder erschienen ihr wie eine seltsame Mischung aus sozialistischem Realismus und Surrealismus.
Eigentlich mochte Laura das Wandbild nicht. Es
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