Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
war kitschig und von aufgesetzter Symbolik. Die Frau mit ihren geschlossenen Augen und dem nach hinten geneigten Kopf erschien Laura auf eine sehr sexuelle Weise ausgesetzt. Kein Bild für ein Rathaus irgendwie.
Sie setzte sich auf eine niedrige Mauer und schaute auf die Dächer von Riomaggiore. Trotz all der bedrohlichen Zwischenfälle fühlte sie sich wohl hier, liebte die Gleichzeitigkeit der Geräusche … das ferne Meeresrauschen, das nahe Gekreisch der Mauersegler, die Stimmen der Frauen im Gemüsegarten unter ihr, Kinderlachen von links, den dumpfen Knall eines Fußballs gegen eine Mauer und ganz oben auf der Panoramastraße ein hupender Bus.
Als sie sich wieder umdrehte, stand Guerrini unter dem Wandbild und stützte mit seinen Händen einen ertrinkenden Fischer.
«Du kannst so bleiben», lachte Laura. «Als Retter machst du dich sehr gut!»
«Als Commissario aber noch besser», erwiderte er und schlenderte zu ihr herüber. «Zum Glück kam der Maresciallo erst, nachdem ich mit dem jungen Carabiniere gesprochen hatte. Es könnte sein, dass die Cousine von Valeria sich in einer der Hütten versteckt, die überall in den Weinbergen stehen. Allerdings sind es eher zwei Cousinen – so jedenfalls vermutet der junge Mann aus Ancona. Nella und Simonetta. Sie waren die besten Freundinnen von Valeria Cabun.»
«Wie kommt der junge Mann darauf?»
«Er ist sehr ehrgeizig und findet, dass die enge Verbindung von Polizei und Bevölkerung nicht gut für die Aufklärung von Verbrechen ist. Hat jede Menge Mafia-Filme gesehen!»
«Soso, und was sagt Sarbia dazu?»
«Gar nichts, denn wir haben ihm nichts davon erzählt. Der Maresciallo ist schon in Ordnung. Er ist ein freundlicher Mensch, der es eigentlich nicht ertragen kann, wenn seine Mitmenschen in Schwierigkeiten geraten.»
«Dann müssen wir jetzt unsere Wanderschuhe anziehen, nicht wahr?»
«So sieht es aus, Commissaria. Ich glaube nicht, dass wir die Carabinieri dazu bringen können, die Weinberge der Cinque Terre in einem durchaus nicht legalen Einsatz zu durchkämmen. Oder hast du Ermittlungshilfe beantragt?»
«Nein, Commissario. Ich habe nur einen sehr fähigen Kollegen aus Siena angeworben.»
«Ah, kenne ich den zufällig, ich bin nämlich ebenfalls aus Siena?»
«Guerrini heißt er. Ich habe schon einmal mit ihm gearbeitet. Ziemlich guter Mann …»
«Wirklich? Ich habe von ihm gehört, aber ihn niemals persönlich kennen gelernt.»
«Schade, er würde dir gefallen …»
Guerrini brach in Gelächter aus. «Wie lange können wir diese Art von Gespräch fortsetzen, was glaubst du?»
«Endlos, wenn du es nicht unterbrechen würdest. Wäre sicher interessant, was am Ende dabei herauskommt.»
EINE STUNDE später machten sie sich auf den Weg. Der junge Carabiniere hatte Guerrini eine Karte mitgegeben, auf der die Weinberge der Cabuns eingezeichnet waren. Alle lagen auf den Hängen zwischen Riomaggiore und Manarola. Es war bereits Nachmittag, und die Sonne stand nicht mehr hoch am Himmel. Der Aufstieg war mühsam. Ein steiler Weg, gefügt aus breiten Steinen, führte durch Gemüsegärten, Zitronen- und Olivenhaine immer höher hinauf zum winzigen Ableger von Riomaggiore, zum Oberdorf. Vom Kirchplatz aus ging es gleich hinaus in die Weinfelder. Es war mehr ein Pfad denn ein Weg – stets oberhalb einer Trockenmauer, gerade genug Raum lassend für Füße, die man hintereinander setzt. Laura hatte das Gefühl, als würde sie über die Steilhänge balancieren, fragte sich, wie die Menschen es jemals geschafft hatten, diese Wunderwerke zu vollbringen, Tausende von winzigen Feldern aus dem Berg herauszuarbeiten – wie Bienen ihre Waben.
Sie trafen nur wenige Weinbauern, die Reben hochbanden und über das Austreiben der hellgrünen Weinblätter zu wachen schienen. Noch war nicht gegen Schädlinge gespritzt worden, und der Wind, der übers Meer kam und den Hang heraufwehte, war köstlich frisch. Guerrini und Laura gaben sich als Wanderer – eigenwillige eben, die nicht den Wegen der unzähligen Touristen folgten, die sich tief unten auf dem Küstenweg, der Via dell’amore, drängten.
Sie kamen gut voran, erreichten bald die ersten rustici, kleine Häuschen aus Natursteinen, die den Weinbauern als Unterkünfte gedient hatten, wenn die Arbeiten in den Feldern länger dauerten oder Mauern neu befestigt werden mussten. Es waren ausschließlich Männer, die sie auf ihrer Wanderung trafen, und alle grüßten freundlich. Nach etwa einer halben Stunde
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