Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
Laken aus.
«Nein!» Lauras Stimme klang plötzlich sehr laut und bestimmt. «Ich möchte von Ihnen nur wissen, was Sie über die Todesursache von Valeria Cabun herausgefunden haben.»
«Also dann!» Er wandte sich um, zog entschlossen das Tuch vom Körper der jungen Frau, und obwohl Laura wusste, dass Valeria gleich vor ihr liegen würde, empfand sie wieder diesen ziehenden Schmerz, der spinnenfingrig über ihren Rücken lief. Und sie musste ihre spontane Empfindung von der Professionalität trennen, musste sich daran erinnern, dass die Obduktion notwendig war, um ein Verbrechen auszuschließen, fand es trotzdem empörend, den Körper der jungen Frau so schutzlos und ausgesetzt vor sich zu sehen. Unglaublich weiß, Porzellanhaut, an einigen Stellen bläulich verfärbt oder blutunterlaufen, die Arme noch immer wie ausgekugelte Puppenarme, die Beine starr ausgestreckt, der Kopf zur Seite geneigt. Nur das wilde lange Haar schien noch lebendig, glänzte und kringelte sich um ihren Nacken, hing vom Tisch herab. Dieser rote Schnitt von der Brust bis zum Ansatz der Schamhaare … Laura schloss die Augen.
«Tja», Malic streifte sich Latexhandschuhe über. «Es ist wirklich schade um sie. Ist mir nicht leicht gefallen, die Autopsie an ihr durchzuführen. Ich hätte sie …», er hüstelte ein bisschen verlegen, «… hätte sie lieber gesund gemacht.»
«Ja, ich auch», flüsterte Laura. «Aber lassen Sie uns mal die Liste durchgehen.»
Der junge Gerichtsmediziner nickte, räusperte sich, legte seine Hand auf Valerias Kopf. «Schädelfraktur links, Mehrfachbrüche der Wirbelsäule, rechter Arm ausgekugelt.» Seine Hand im Latexüberzug bewegte sich langsam an Valerias Körper nach unten, zeigte auf die entsprechenden Stellen. Laura starrte auf diese Hand, die seltsam künstlich aussah.
«Entschuldigen Sie», unterbrach sie den Arzt. «Ich brauche jetzt nicht alle Details. Das wird ohnehin alles in Ihrem Bericht stehen. Aber es gibt ein paar Fragen, die mir wichtig sind und die Sie vielleicht beantworten können.» Sie sah ihm an, dass er gern weitergemacht hätte, um seine Kompetenz zu zeigen, sie zu beeindrucken. Ein Zug des Bedauerns lag plötzlich um seine Mundwinkel, und die Hand verharrte auf Valerias Bauch – irgendwie unbewusst, denn kurz darauf zog er sie blitzschnell weg, verschränkte die Arme.
«Ja, natürlich», sagte er. «Dazu bin ich ja da. Ich meine, um Ihre Fragen zu beantworten.»
«Gut. Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, dass eine der Verletzungen nicht vom Sturz aus dem Fenster stammt?»
«Das ist schwer festzustellen. Sie hat natürlich jede Menge Prellungen und Blutergüsse, aber bei einem so heftigen Aufprall ist das nicht erstaunlich. Und besonders auffällige Male wie Fingerabdrücke oder Würgemale konnte ich nicht finden.»
Laura nickte. «Hatte Sie kurz vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr?»
Malic schüttelte den Kopf.
«Sicher?»
«Ganz sicher!»
«War sie schwanger?»
«Nein.»
«Dann danke ich Ihnen, Jonas. Auf gute Zusammenarbeit. Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, Rechtsmediziner zu werden?»
Er zuckte mit den Schultern. «Ich wollte als Kind immer Kriminalkommissar werden …»
«Na, dann viel Erfolg!» Laura nickte ihm zu, übersah seine Bemühungen, den Latexhandschuh abzustreifen, um ihr die Hand zu schütteln. Als sie langsam die Stufen vor dem Gebäude hinabging, dachte sie, dass bei aller Berechtigung und Notwendigkeit Autopsien sehr nahe an Leichenfledderei grenzten.
Selbstmord, dachte Laura. Vielleicht war es wirklich Selbstmord. Immerhin bringen sich mehr Leute um als ermordet werden. Sie hatte die Meldung vom Tod der Valeria Cabun an die italienischen Kollegen weitergegeben. Noch heute würden zwei Carabinieri vor der Tür der Familie Cabun in Riomaggiore stehen und die Nachricht überbringen. Laura schob den Gedanken daran weg. Aber er kam immer wieder, nistete sich in ihrem Hinterkopf ein. Die Spurensicherung hatte keine fremden Fingerabdrücke in Valerias Zimmer gefunden. Vielleicht hatte sie selbst in aller Eile etwas gesucht, eine paar Dinge eingepackt. Es schien auch niemand durch das angelehnte Fenster eingestiegen zu sein. Aber vielleicht hatte die Person Valerias Schlüssel gehabt, denn bei ihr war nichts gefunden worden. Es hatte keinen Sinn in diesem Augenblick darüber nachzudenken.
Laura Gottberg saß vor ihrem PC und versuchte die Fragen des Staatsanwalts zu beantworten, der Ankläger im Prozess um den Mord im Eurocity war. Sie musste
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