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Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Titel: Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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eine Erleichterung für mich, weil ich heute auf gar keinen Fall mehr dazu gekommen wäre, und es ist wichtig! Claudia ist sehr wohl in der Lage, solche Aufgaben zu übernehmen.»
    «Und wo ist der Herr von der Polizeischule? Schon im Feierabend? Er ist doch für solche Aufgaben vorgesehen!» Becker sah sich betont auffällig im Dezernatsbüro um.
    «Er observiert einen Verdächtigen», konterte Baumann. «Sie werden es nicht glauben, Herr Kriminaloberrat. Aber wir haben eine Menge zu tun. Könnten noch ein paar Leute gebrauchen!»
    «Soso. Wir haben morgen Sitzung! Ich möchte einen Bericht über alle Aktivitäten haben – detailliert, Baumann. Haben Sie verstanden?»
    Baumann nickte.
    «Gut, dann wünsche ich einen schönen Abend. Gute Besserung, Laura.» Becker ging, ohne sich noch einmal umzuwenden.
    «Hui, du bist aber schnell heute», murmelte Laura anerkennend, während sie vorsichtig ihre Arme hob und die Wirbelsäule dehnte.
    «Bleibt einem nichts anderes übrig heutzutage», grinste ihr Kollege. «Und jetzt bring ich dich nach Hause!»

    Lauras Hexenschluss löste sich auf wunderbare Weise unter dem warmen Strahl ihrer Dusche. Trotzdem ging sie an diesem Abend früh zu Bett, legte sich auf eine Wärmflasche und versuchte, nicht an die Arbeit zu denken. Nebenan saß Luca vor dem Fernseher, sah sich irgendeinen amerikanischen Psychothriller an. Sofia telefonierte seit einer halben Stunde im Flur. Lachte manchmal sehr laut.
    Laura lag im Halbdunkel ihres Schlafzimmers und versuchte, sich das Meer vorzustellen, unter Olivenbäumen zu spazieren, eine entspannende Gedankenreise zu machen, doch statt ihrer wanderte Valeria Cabun am Strand, ihr dunkles Haar wehte im Wind, und Laura fragte sich wieder, warum der Tod dieser jungen Frau sie so sehr beschäftigte. Ihr war, als drängte sich Valeria mit aller Gewalt in ihr Bewusstsein. Lieber hätte Laura ihren Geliebten Angelo Guerrini vor ihrem inneren Auge gesehen, doch Valeria war an diesem Abend stärker.
    Ich muss sie noch einmal sehen, dachte Laura. Allein, ohne einen der Ärzte. Und plötzlich wusste sie, was das Besondere an Valeria war: Sie erschien Laura wie ein Symbol von Lebendigkeit, obwohl sie tot war. Wild hatte sie ausgesehen im Tod und unbezwingbar. Laura spürte, wie ihr Rücken sich wieder anspannte, wie sie sich dagegen wehrte, den Tod dieser jungen Frau hinzunehmen. Morgen früh suche ich Valerias afrikanischen Freund, dachte sie. Ich fange in der Sprachenschule an.

ES WAR später Nachmittag, als zwei Carabinieri an die Tür der Familie Cabun in Riomaggiore klopften. Die beiden Polizisten wussten genau, dass sie Valerias Vater um diese Zeit in seinem kleinen Büro in der Via Colombo treffen würden. Ihre Scheu vor seinem Schmerz war es, die sie zum Wohnhaus der Cabuns geführt hatte. Den Schmerz der Frauen konnten sie besser ertragen als die stumme Qual der Männer. Die Frauen konnten sie halten, trösten – die Verzweiflung der Männer machte sie hilflos, ließ ihnen nicht die Rolle des vermeintlich Stärkeren. Und sie kannten Roberto Cabun. Seinen Schmerz zu teilen erschien ihnen unmöglich, wussten sie doch, wie sehr er seine Tochter Valeria liebte.
    So standen sie also vor dem Haus an den Klippen, atmeten tief die salzige Luft ein und hofften irgendwie, dass niemand zu Hause sein möge. Aber von drinnen klangen Schritte, jemand rief, die Tür ging auf, und die beiden Polizisten sahen Signora Cabun, wechselten einen Blick, räusperten sich.
    Der ältere von beiden, Maresciallo Sarbia, der die Cabuns seit zwanzig Jahren kannte, fragte, ob sie hineinkommen könnten.
    «Aber natürlich, kommt rein», rief sie, laut und lebhaft, wie sie immer war, strich sich das goldbraun getönte Haar zurück, und dem Maresciallo fiel auf, dass sie einen sehr dunklen Leberfleck auf dem Handrücken hatte, einen, der vielleicht gefährlich sein könnte, wie der bei seiner Tante Rosalia, die daran gestorben war. Vor zwei Jahren. Er begriff selbst nicht, warum er ausgerechnet jetzt an so etwas dachte.
    «Wollt ihr einen Kaffee?», fragte Signora Cabun. Maresciallo Sarbia schüttelte den Kopf und überlegte fieberhaft, wie ihr Vorname war. Bisher hatte er immer gewusst, wie ihr Vorname war – plötzlich war er weg. Er erinnerte sich nur noch an den Namen der Großmutter … Maria Valeria.
    Signora Cabun führte die beiden Polizisten in das kleine Wohnzimmer, von dem aus sich eine Terrasse zum Meer hin öffnete.
    «Worum geht’s? Hat Roberto etwas ausgefressen?»

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