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Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Titel: Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Sie lachte zwar, aber Sarbia konnte in ihren Augen sehen, dass sie plötzlich beunruhigt war. Er schüttelte den Kopf, schaute auf seine breiten schwarzen Schuhe hinunter.
    «Es ist doch nichts mit Marco?» Jetzt wusste sie, dass etwas nicht in Ordnung war. Marco Cabun war ihr Sorgenkind, hatte bereits zwei Motorradunfälle knapp überlebt. Wieder schüttelte Sarbia den Kopf, sah seinen jüngeren Kollegen von der Seite an, wusste, dass er es sagen musste.
    «Es geht um Valeria», sagte er leise, und gleichzeitig fiel ihm ihr Vorname wieder ein: Carla. «Es wäre vielleicht besser, wenn Sie sich setzen, Signora Carla», fuhr er deshalb fort.
    Ihre Augen waren sehr groß geworden, und sie hielt beide Hände flach an den Mund gepresst. «No!» Sie schüttelte heftig den Kopf. «Ich setze mich nicht.»
    «Es tut mir sehr Leid, Signora Carla. Ich weiß auch gar nicht, wie ich es sagen soll …»
    «Sie hatte einen Unfall? Liegt im Krankenhaus? Wo?» Carla Cabun ließ ihn nicht weitersprechen, fand Auswege, wollte ihn zwingen, die Nachricht abzumildern. Und er hätte es so gern getan, fühlte sich alt und müde, hatte schon zu viele solcher Nachrichten überbringen müssen. Doch ehe er den Mut fasste, auszusprechen, was Carla Cabun fürchtete, öffnete sich eine Tür neben ihm. Robertos Mutter stand da, im Halbdunkel, stützte sich mit einer Hand am Türstock ab, starrte den Maresciallo mit dem Raubvogelblick alter Leute an, diesem Blick, dem nichts entgeht, der schon alles weiß. Und der Maresciallo wich zurück.
    «Ich warte schon den ganzen Tag auf euch», sagte Maria Valeria Cabun langsam. «Es ist wie im Krieg. Da mussten wir auch so lange warten, bis wir es endlich erfahren haben.»
    «Come? Aber es ist kein Krieg, Signora Cabun …», stammelte Sarbia.
    «Natürlich ist Krieg», erwiderte sie unwirsch. «Irgendeine Art von Krieg ist immer! Also, wer hat sie umgebracht?»
    «Aber Mama, Nonna, was redest du da? Niemand hat jemanden umgebracht! Nicht wahr, Maresciallo! Sagen Sie Großmutter, dass niemand umgebracht wurde.» Carla Cabun fasste Sarbia am Arm, schüttelte ihn.
    «Nein, ich weiß nicht. Es ist wahrscheinlich anders. Es ist … sie hat sich selbst … ich meine, Valeria hat Selbstmord begangen!» Er hielt inne, lauschte seinen eigenen Worten nach, die endlich draußen waren, den Weg aus seiner engen Brust gefunden hatten.
    «No, no, no, no! Du kennst Valeria, so was kannst du mir nicht erzählen, Sarbia! Valeria bringt sich nicht um! Niemals!»
    Carla Cabun riss am Arm des Maresciallo. Er sah sie nicht an, schaute nur auf die alte Frau mit den Raubvogelaugen. Die alte Frau sagte nichts, kniff die Augen leicht zusammen, drehte sich um und schloss leise die Tür hinter sich.
    «Hast du Roberto schon benachrichtigt?», flüsterte Valerias Mutter.
    Sarbia schüttelte den Kopf. «Ich wollte es erst Ihnen sagen, Signora Carla.»
    Sie trat einen Schritt zurück und ließ seinen Arm los. «Du Feigling!» Ihre Stimme war heiser. Sie wandte sich ab, dem Meer zu, krümmte sich ein wenig und schlang die Arme um ihren Oberkörper. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn sie laut geschrien oder geweint hätte. Unerträglich lang stand sie so. Die beiden Polizisten wagten kaum zu atmen, warteten auf den Ausbruch der Gefühle.
    Er kam nicht.
    Nach einer Weile fuhr Carla Cabun mit beiden Händen durch ihr Haar, ging zur Haustür, ohne die Carabinieri eines Blickes zu würdigen. «Ich werde es ihm sagen», murmelte sie. «Ihr bleibt hier und wartet auf ihn!» Sie griff nach einem schwarzen Wolltuch, schlang es um ihre Schultern und ging erst langsam, dann immer schneller durch die enge Gasse davon.
    «Geh ihr nach!», befahl Sarbia seinem jungen Kollegen.
    «Und Sie, Maresciallo?», fragte der Carabiniere erschrocken.
    «Ich muss mich um die Großmutter kümmern!» Sarbia wusste, dass es nur die halbe Wahrheit war. Er würde Roberto Cabun früh genug sehen. Aber je später, desto besser. Deshalb ließ er den Kollegen einfach stehen und folgte der alten Frau durch die Tür, die sie vor ein paar Minuten hinter sich geschlossen hatte. Er stand in einem niedrigen dunklen Flur, an dessen Ende sich wieder eine Tür befand, und erinnerte sich daran, dass die kleine Wohnung der alten Signora Cabun vor ein paar Jahren an das Haus ihres Sohnes angebaut worden war. Zögernd ging er auf die Tür zu, klopfte, lauschte. Keine Antwort. Wieder klopfte er, drückte vorsichtig die Klinke nach unten und schob die Tür einen Spaltbreit auf. Die

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