Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
entführt und umgebracht haben, Signora Bembo?»
Sie warf einen scharfen Blick auf ihren Mann, der aber genau in diesem Augenblick zum Fenster schaute und deshalb nichts bemerkte.
«Ich möchte ja niemanden beschuldigen, Commissario», begann sie. «Es sind nur Vermutungen, Dinge, die wir uns zusammengereimt haben. Wir kennen die Malenchinis eben schon sehr lange. Sehen Sie, die Schwierigkeiten fingen damit an, dass Bimbo eine Asiatin geheiratet hat.»
«Welcher Bimbo?», fragte Guerrini mit gespielter Ahnungslosigkeit, obwohl er wusste, dass er die alte Dame damit gegen sich aufbringen würde. Signor Bembo stieß einen seltsamen Laut aus, der eher einem unterdrückten Kichern denn einem Husten oder Räuspern ähnelte.
Signora Anna warf den Kopf in den Nacken, schaute streng auf die beiden Männer herab und ignorierte Guerrinis unbotmäßige Frage.
«Signora Malenchini war eine gläubige Katholikin, wie wir. Diese Asiatin war etwas ganz anderes – ich weiß nicht genau, was. Bimbo hat sich völlig verändert, seit er mit dieser Frau zusammen war. Ich glaube, er wurde Buddhist oder so was. Jedenfalls etwas Schreckliches! Signora Malenchini hat ihn enterbt. Wir haben das sehr gut verstanden, nicht wahr, Cosimo? Wenn unsere Kinder plötzlich Buddhisten oder Muslime würden, müssten wir sie auch enterben, nicht wahr?»
Cosimo sog die Luft ein und schaute den Commissario bedeutungsvoll an.
«Danach gab es nur Streit zwischen Signora Malenchini und ihrem Sohn. Und eines Tages lag Bimbo tot vor ihrer Tür. Die arme Signora hat ihn aufgehoben, und im nächsten Augenblick ist sie selbst gestorben. Herzanfall. Alle, die sie kannten, wussten, dass man sie nicht aufregen durfte. Derjenige, der den armen Bimbo vor ihre Tür gelegt hat, wusste genau, dass sie sterben würde. Es war ein Mordanschlag, Commissario. Nichts anderes als ein gemeiner Mordanschlag!»
Nachdenklich rieb Guerrini mit der rechten Hand sein Kinn. Inzwischen richtete er seine Aufmerksamkeit mehr auf Signor Bembo, dessen Gesicht einen seltsam verschmitzten Ausdruck zeigte.
«Ich würde gern Ihre Meinung dazu hören, Signor Bembo.»
Der alte Herr neigte den Kopf ein wenig zur Seite, lächelte schüchtern, räusperte sich dann und sagte leise: «Falls es ein Mordanschlag war, dann ein sehr kluger.»
Seine Frau stieß ein verächtliches Zischen aus. «Er schaut alle Kriminalfilme im Fernsehen an und sagt, dass die meisten Mörder dumm seien und keine Phantasie hätten. Das stimmt doch, Cosimo. Du sagst das jeden Tag, auch wenn du die Zeitung liest.»
«Si, si!», nickte Signor Bembo gelassen. «Es macht Spaß, die Dummheit der anderen zu sehen. Es ist mein Hobby, cara.»
«Bene!» Guerrini fand die Auseinandersetzung des alten Ehepaars amüsant, wollte aber trotzdem versuchen, das Gespräch wieder auf die tote Signora Malenchini zu lenken. «Wer könnte Ihrer Meinung nach den kleinen Hund entführt haben? Oder ist er vielleicht einfach weggelaufen und unterwegs an Altersschwäche gestorben? Jemand hat ihn gefunden und der Signora Malenchini vor die Tür gelegt, weil sie die Klingel nicht gehört hat oder weil er die Verzweiflung der alten Dame nicht erleben wollte.»
«No!» Signora Bembo schüttelte entschieden den Kopf. «Niemals! So war es ganz sicher nicht, Commissario!»
«Und was sagen Sie, Signore?» Guerrini beugte sich zu dem alten Herrn.
«Es könnte so gewesen sein», entgegnete der langsam. «Aber ich bezweifle es. Die Signora Malenchini war nicht besonders beliebt, müssen Sie wissen …»
«Versündige dich nicht an einer Toten, Cosimo», unterbrach ihn seine Frau mit harter Stimme, bekreuzigte sich schnell. «Sie war uns immer eine gute Nachbarin.»
«Si, si», nickte der alte Bembo, und die tiefen Falten um seine Augen zuckten. «Aber sie war nicht nur eine gute Nachbarin. Ihr gehörte zum Beispiel das Haus, in dem wir wohnen, und sie hat alle zwei Jahre die Miete erhöht, und nur ihr Hund durfte bellen, andere Hunde nicht, und sie hat alles über ihre Mieter gewusst und herumerzählt.»
«Das ist doch nicht wichtig, jetzt, nach ihrem Tod!» Signora Bembo atmete schwer.
«Es könnte durchaus wichtig sein, Signora», erwiderte Guerrini. «Deshalb möchte ich Sie fragen, ob Sie einen ganz konkreten Verdacht haben. Immerhin waren Sie es, die Anzeige gegen unbekannt erstattet hat.»
«No!» Signora Bembo richtete sich sehr gerade auf. «Ich möchte niemanden beschuldigen. Das ist Ihre Aufgabe, Commissario!»
«Und Sie? Wo es
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