Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
versucht ihn zu belasten. Viertens: Der Anrufer war der Mörder oder will den Mörder decken. Auf jeden Fall ist es nach diesem Anruf ziemlich unwahrscheinlich, dass Valeria Cabun Selbstmord begangen hat …»
«Halt mal an!» Der junge Kommissar stand noch immer mit hochgezogenen Schultern vor Laura. «Es bedeutet, dass wir einen Fall haben und dass wir richtig von vorn anfangen müssen, nicht wahr?»
«Das genau bedeutet es, und deshalb wirst du jetzt Roberto Malenge allein hereinholen, sein Freund Aristide soll warten! Und ich kann dir gleich sagen, dass es mir unangenehm ist, weil ich die Empfindlichkeit der Schwarzen kenne und irgendwie auch verstehe.» Laura setzte sich auf eine Ecke ihres Schreibtischs. Sie wollte sich nicht dahinter verschanzen und die Rolle der Mächtigen einnehmen – nicht vor Roberto Malenge. Kurz dachte sie an den Abend mit ihren Kindern, an das Gespräch über die Unberechenbarkeit von Gefühlen, dann nickte sie Baumann zu. «Fangen wir an!»
Er sog hörbar die Luft ein, blies sie ebenso hörbar wieder aus und rief Roberto Malenge herein. Laura sah dem jungen Afrikaner an, dass er die veränderte Atmosphäre sofort spürte, seine Augen wachsam wurden. Als Baumann ihm einen Stuhl anbot, setzte er sich, aber nicht entspannt, sondern auf die Kante, bereit, aufzuspringen. Und Laura dachte, dass es alles bedeuten konnte: Angst, weil er schuldig war, oder Angst, weil er schwarz war und fürchtete, als Schwarzer ohnehin schuldig gesprochen zu werden.
«Es tut mir Leid, dass wir Sie noch nicht gehen lassen können, Herr Malenge.» Eine bessere Einleitung fiel ihr nicht ein, und Roberto Malenge nahm diese Floskel mit unbewegtem Gesicht hin. «Es gibt da noch einige Fragen …», fuhr Laura fort. «Ich war leider bei Ihrem Gespräch mit meinem Kollegen nicht dabei … Könnten Sie für mich noch einmal wiederholen, wo und wie Sie die Nacht verbracht haben, in der Valeria Cabun starb.»
Der junge Mann schüttelte ungläubig den Kopf. «Aber ich habe doch schon alles gesagt, und Ihr Kollege hat es aufgenommen. Sie müssen sich nur das Band anhören.»
«Das werde ich auch noch tun», entgegnete Laura freundlich. «Aber ich möchte es trotzdem noch einmal von Ihnen persönlich hören.»
Malenge warf Laura einen Blick zu, den sie nicht deuten konnte, dann studierte er seine rechte Handfläche, zog mit dem Finger die Linien nach. Endlich hob er den Kopf und räusperte sich.
«Ich verstehe zwar nicht, warum Sie mich nochmal fragen, aber ich werde natürlich antworten. Mir wäre allerdings wichtig, wenn Sie mir sagen würden, was mit Valeria geschehen ist!»
«Das versuchen wir gerade herauszufinden», warf Peter Baumann ein.
«Durch mich?» Roberto Malenge fuhr auf. «Ich kann Ihnen nicht helfen, das wissen Sie genau!»
«Bitte, Herr Malenge. Ich denke, dass Sie uns durchaus helfen können. Erzählen Sie jetzt einfach, was Sie an dem Abend gemacht haben!» Laura ärgerte sich über Baumann, der manchmal keine besondere Geschicklichkeit zeigte, wenn es um Verhöre ging.
Unruhig wippte der junge Afrikaner mit einem Bein. «Ich war mit Aristide in unserer Stammkneipe und habe Freunde getroffen. Ungefähr um halb elf sind wir nach Hause und haben uns etwas gekocht. Da waren auch Carlos und Teim. Carlos kommt aus Angola wie ich, und Teim ist der Maler. Seine Bilder hängen überall in unserer Wohnung. Carlos und Teim haben auch gekocht – wir kochen häufig zusammen. Dann haben wir gegessen, und ich wollte noch ein bisschen lernen. War aber zu müde. Bin einfach eingeschlafen.»
«Wann war das ungefähr?»
Roberto zuckte die Achseln. «Ein Uhr vielleicht oder halb zwei? Ich gehe meistens spät ins Bett.»
«Hätte jemand bemerkt, wenn Sie die Wohnung noch einmal verlassen hätten, Herr Malenge?»
«Vielleicht, vielleicht auch nicht? Ich weiß nicht, ob die andern geschlafen haben oder noch wach waren. Ich habe die Wohnung nicht verlassen. Warum fragen Sie? Ihr Kollege hat das nicht gefragt!»
«Ich bin nicht mein Kollege», antwortete Laura ernst. «Beschreiben Sie mir bitte Ihr Verhältnis zu Valeria Cabun. Wo haben Sie sie kennen gelernt, wie lange waren Sie zusammen und so weiter …»
«Warum muss ich das machen?» Roberto biss die Zähne zusammen, schüttelte den Kopf. «Wir haben uns geliebt! Reicht das nicht? Wir wollten heiraten und gemeinsam nach Angola gehen, wenn ich mit meinem Studium fertig bin. Es hätte nicht mehr lange gedauert, in zwei Wochen habe ich mein drittes
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