Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
lesen», murmelte Peter Baumann. «Ich kenne ein Kaffeehaus, das macht um halb fünf in der Früh auf. Da gehen wir jetzt hin und trinken Kaffee. Dann rufen wir Havel an und fragen ihn, was er rausgekriegt hat. Vielleicht fällt uns danach mehr ein.»
Laura antwortete nicht, ließ sich neben Kommissar Baumann in den Beifahrersitz seines etwas schmuddeligen Golfs fallen.
«Warum sagst du denn nichts? Willst du Kaffee oder nicht?» Seine Stimme klang gereizt.
«Kaffee klingt gut, aber ich muss spätestens um sechs zu Hause sein. In meinem Bett liegt eine junge Türkin, die nicht wesentlich besser dran ist als Malenge, und ich habe schwierige Verhandlungen mit ihrer Sippschaft vor mir. Außerdem möchte ich mit meinen Kindern frühstücken.» Laura verschwieg ihren Exmann, der vermutlich ebenfalls an diesem Frühstück teilnehmen würde. Baumanns Kaffeehaus lag in der Türkenstraße und wurde von einem Türken betrieben. Sie tranken türkischen Kaffee, aßen fürchterlich süße kleine Kuchen und waren die einzigen Kunden.
Der Kaffee war gut. Gegen fünf kamen zwei türkische Straßenkehrer und frühstückten am andern Ende der langen Theke.
Abwechselnd sprachen Laura und Baumann am Handy mit Andreas Havel, der seltsamerweise überhaupt nicht böse war, dass sie ihn aus dem Bett gescheucht hatten. Etwas an diesem Fall hatte ihn gepackt. Aber er hüllte sich in dunkle Andeutungen – meinte, er könne sich ein Motiv für den Überfall auf Malenge vorstellen. Und außerdem werde er am Morgen sofort nachmessen, ob Valeria Cabun wirklich aus dem Fenster im Treppenhaus gestürzt war. Ihm seien da Zweifel gekommen, und der Kollege, der die Messung durchgeführt habe, sei manchmal nicht so zuverlässig.
Laura war über diese Nachrichten sehr zufrieden, hielt sich aber mit anerkennenden Worten für Andreas Havel zurück. Sie wusste, wie empfindlich Baumann darauf meistens reagierte. Als sie das türkische Kaffeehaus verließen, hatte Laura Herzklopfen, weil sie es nicht gewöhnt war, mitten in der Nacht so starken Kaffee zu trinken.
«Es gibt zwei Dinge, die als Nächstes anstehen», sagte sie auf dem Heimweg. «Ich will mir diese mysteriöse Wohnung im fünften Stock ansehen. Du weißt schon, in dem Haus, in dem Valeria Cabun gestorben ist. Und ich will noch einmal mit den Dottores Denner sprechen.»
«Wunderbar!», erwiderte Baumann. «Und ich habe zwei, drei Widersprüche in deinem Report gefunden, die wir auch noch klären müssen, ehe wir das Ding dem Richter übergeben. Außerdem will die Familie Cabun noch einmal mit uns reden.»
«Na wunderbar», kicherte Laura und legte eine Hand auf ihr Herz, das seltsame Hüpfer vollführte. «Wie wäre es, wenn wir beide uns morgen krank melden würden. Ich finde das Programm irgendwie zu voll!»
«Keine schlechte Idee», grinste Baumann. «Aber ich kann dir eins sagen, liebe Kollegin und Vorgesetzte. Wenn wir heute nicht pünktlich im Dezernat sind, gehen wir baden.» Er nahm die letzte Abzweigung vor Lauras Haus ein bisschen zu schwungvoll. Die Reifen rutschten quietschend über das glatte Kopfsteinpflaster.
«Wann ist eigentlich Ostern?», fragte Laura, als er vor ihrer Haustür anhielt.
«Ich glaube, am nächsten Wochenende.» Er schaute auf seine Uhr. «Warum?»
«Ach, nur so. Weil die Kinder dann Ferien haben …», murmelte Laura und stieg aus.
«Punkt neun!», rief Baumann ihr nach.
Sie winkte ihm zu, öffnete schnell die Tür und lehnte sich an die Wand des Hausgangs. Guerrini würde also bereits nächstes Wochenende kommen. Sie hatte noch fünf Tage Zeit, ihre Kinder darauf vorzubereiten. Irgendwie hatte sie Ostern in weiter Ferne vermutet. Fünf Tage. Ihr Herz schlug noch immer merkwürdige Kapriolen.
Als Laura leise die Tür zu ihrem Schlafzimmer öffnete, fand sie Ülivia wach.
«Oh Laura, tut mir so Leid», flüsterte sie. «Wo hast du geschlafen?»
«Mach dir darüber keine Gedanken. Ich musste zu einem Einsatz! Bin gerade erst zurückgekommen. Möchtest du etwas trinken.»
Die junge Türkin nickte vorsichtig, verzog trotzdem das Gesicht. Ihr rechtes Auge war von einem dunkelblauen Bluterguss eingerahmt, der sich bis zur Schläfe ausgebreitet hatte.
«Schmerzen?» Laura sammelte die Kühlkompressen vom Kopfkissen, um sie wieder in den Kühlschrank zu legen, goss Wasser aus der Karaffe am Nachttisch in ein Glas. «Hier!»
Ülivia stützte sich auf einen Ellbogen, nahm das Glas und trank mit vorsichtigen Schlucken.
«Was ist eigentlich
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