Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
erreichte, in der das Dennersche Haus stand. In dieser Nacht allerdings war es keine stille Sackgasse mehr, sondern wirkte eher wie der Drehort eines Tatort-Krimis. Blaulichter blinkten, Scheinwerfer waren aufgestellt, Kollegen in Uniform und Zivil wuselten herum. Der gesamte polizeiliche Zirkus war in Aktion, Kommissar Baumann mittendrin. Laura wusste, dass er solche Inszenierungen genoss. Ein paar Sekunden lang blieb sie im Wagen sitzen, atmete tief durch, ehe sie sich einen Ruck gab, ausstieg und zu Baumann hinüberging.
«Schön, dass du da bist», rief er ihr entgegen. «Das ist eine Überraschung, was?»
Laura antwortete nicht, sondern ließ die Bilder und Geräusche auf sich wirken, sah die Blutlache auf dem Boden, die Kreidezeichnung. Roberto Malenge hatte man so gefunden.
«Was genau ist passiert?», fragte sie.
«Seine Frau hat ihn entdeckt. Jemand hat ihm offensichtlich ein Messer in den Rücken gestoßen, als er spät nach Hause kam. Und besonders interessant dürfte die Aussage eines Nachbarn sein, der bereits gegen neun Uhr seinen Wagen in die Garage fuhr. Er sah zwei Schwarze vor dem Dennerschen Haus. Fällt dir dazu etwas ein?»
«Nein, nichts!»
«Komm mir bloß nicht wieder mit Agatha Christie!»
«Nein. Mir ist nicht nach Witzen zumute. Wo ist Frau Denner?»
«Im Krankenhaus bei ihrem Mann. Er wird noch operiert. Man weiß nicht, ob er durchkommt.»
«Und die Kinder?»
«Schlafen. Denners Mutter ist im Haus und passt auf.»
«Ich möchte mit ihr sprechen.» Laura winkte Andreas Havel zu.
«Die hat aber nichts gesehen», knurrte Baumann. «Sie kam erst vor einer halben Stunde mit dem Taxi.»
«Ich will ja auch nicht wissen, ob sie etwas gesehen hat!»
«Du bist irgendwie schlecht gelaunt, oder?» Baumann sah Laura von der Seite an.
«Nein», erwiderte sie kurz und ging Havel entgegen. «Gibt’s was?
«Wenig bisher.» Er schüttelte den Kopf. «Keine Tatwaffe, keine Spuren. Leider hat der Täter auch keine Visitenkarte verloren.» Er lächelte ein bisschen.
«Na gut. Ich werde mich mit der Mutter des Opfers unterhalten … Irgendwas stimmt hier nicht. Für mich deutet alles zu sehr in eine Richtung.»
«Weil du die Richtung nicht magst. Ich kenn dich doch, Laura», mischte Peter Baumann sich ein.
«Vielleicht!» Laura drehte sich um und ließ beide stehen. Manchmal wäre es ganz gut, wenn wir nicht so vertraut miteinander wären, dachte sie. Ein bisschen Distanz zu seiner Vorgesetzten stünde Baumann ganz gut an. Sie bat ihn nicht darum, mit ins Haus zu kommen, ging allein den Gartenweg entlang. Die Mandelbäumchen blühten immer noch, aber auf der Terrasse lag kein Spielzeugauto. Als Laura an die Tür klopfte – sie wollte nicht klingeln, um die Kinder nicht zu wecken –, wurde ihr sehr schnell geöffnet. Doktor Denners Mutter war jünger, als Laura erwartet hatte, höchstens Mitte sechzig, und das glatte Gegenteil seiner Ehefrau. Weder blass noch blond, sondern rot gefärbt, braun gebrannt und von ähnlich sportlich untersetztem Typ wie ihr Sohn.
«Kommen Sie rein», sagte sie, als Laura ihren Ausweis gezeigt hatte.
«Es tut mir sehr Leid, dass Ihr Sohn so schwer verletzt worden ist.» Laura ging hinter Frau Denner, wäre beinahe mit ihr zusammengestoßen, als diese plötzlich stehen blieb und sich umwandte.
«Das ist nett von Ihnen. Sie werden sich vielleicht über mich wundern – natürlich bin ich erschrocken, und es wäre mir lieber, wenn er gesund wäre. Aber es wundert mich nicht. Mein Sohn ist … wie soll ich es sagen … er ist kein besonders sympathischer Mensch.» Sie warf Laura einen bedeutungsvollen Blick zu und ging langsam weiter in das große Wohnzimmer mit den blauen Polstermöbeln.
«Bitte nehmen Sie Platz, möchten Sie einen Kaffee?»
«Nein danke. Sie müssen mir etwas Zeit lassen, denn Ihre Bemerkung über den Charakter Ihres Sohnes ist zumindest ungewöhnlich.»
«Haben Sie Kinder? Stört Sie nie etwas an ihnen?» Denners Mutter lachte kurz auf.
«Natürlich stört mich ab und zu etwas an meinen Kinder, aber ich finde sie keineswegs unsympathisch», antwortete Laura und setzte sich langsam.
«Das kann sich sehr schnell ändern, wenn sie älter werden. Mein Sohn zum Beispiel ist zerfressen von Ehrgeiz und Geldgier – seine Frau übrigens auch. Daran kann ich nichts Sympathisches finden. Ich bin nur hier der Enkel wegen.» Sie ging zu einer gläsernen Vitrine, in der die Drinks aufbewahrt wurden, und goss sich etwas Whisky in ein Glas, ließ
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