Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
Ihnen aufgefallen ist?»
«Ja, natürlich, Frau Kommissarin. Ich fuhr … fuhr … fuhr … in unsere Straße – die ist ja nur für Anlieger und außerdem Sackgasse. Ich fa … fa … fahre also rein, halte schon die Fernbedienung für das Garagentor in der Hand, bremse vor dem Tor und schaue nach links, dahin, wo die Straße endet und nur noch ein Fußweg weitergeht. Und da … da … da sehe ich zwei Leute, Kerle, Mä … Mä … Männer … wie immer sie es ausdrücken wollen. Die ka … kamen ein Stück in unsere Straße rein, zögerten, drehten um und verschwanden im Fußweg. Der ist ziemlich dunkel, deshalb hab ich sie au … auch nur kurz gesehen.» Er schnaufte heftig wie nach einer körperlichen Anstrengung.
«Haben Sie die Männer erkennen können?»
Er schnaufte noch heftiger. «Wenn Sie meinen, ob ich sie erkannt habe – das nicht. Aber ich hab gesehen, dass sie schwarz waren. Schwarze Haut, Ne … Neger, A … Afrikaner … oder was man heute sagt!»
«Neger jedenfalls nicht!», erwiderte Laura ärgerlich. «Sind Sie ganz sicher, dass die beiden Männer dunkle Haut hatten, oder sahen sie im Dunkeln einfach dunkel aus?»
«Nie … niemals, Frau Kommissarin! Da … da hinten steht eine Laterne!» Er wies nach links. «Un … unter der haben sie gestanden. Da ha … hab ich sie ganz deutlich sehen kön … können. Der … der eine hatte lange Ha … Haare!»
Malenge, dachte Laura wieder. Warum deutet alles auf Malenge? Hatte sie einen derartig schlechten Spürsinn entwickelt? Es blieb ihr eigentlich nichts anderes übrig, als einen Haftbefehl zu erwirken und Malenge dem Untersuchungsrichter vorzuführen.
Als sie zu Baumann zurückkehrte, sah er sie ernst an, presste die Lippen zusammen. «Schellingstraße?», fragte er.
Laura nickte. «Was ist eigentlich mit unserem Mann von der Polizeischule? Sollte der Malenge nicht observieren?»
«Er behauptet, dass er Malenge verloren hat. Ich nehme aber an, dass er keine allzu große Lust auf den Job hatte. Ich hab früher auch manchmal behauptet, dass ich mein Observierungsobjekt aus den Augen verloren habe.»
«Mhm.»
«Was ist denn los mit dir, Laura?»
«Ich will nicht in die Schellingstraße, sondern nach Hause. Mir geht es wie unserem jungen Kollegen. Aber natürlich fahren wir jetzt in die Schellingstraße und anschließend ins Krankenhaus. So sieht eben ein freies Wochenende aus!»
«Liegt irgendwas Spezielles an?», fragte Baumann.
«Nein.»
Weder Roberto Malenge noch sein Freund Aristide waren zu Hause. Überhaupt niemand aus der Wohngemeinschaft war da. Laura und Baumann zogen wieder ab, beide irgendwie erleichtert.
«Und wenn beide weg sind?», fragte Baumann, als sie wieder in Lauras altem Mercedes saßen.
Sie zuckte die Achseln. «Dann sind sie eben weg. Vielleicht waren sie aus einem ganz anderen Grund in Denners Straße. Vielleicht wollten sie mit ihm reden, und er war nicht zu Hause. Der stotternde Zeuge hat sie gegen neun Uhr gesehen. Denner wurde zwischen elf und halb zwölf angegriffen.»
«Und was jetzt?» Baumann gähnte laut.
«Krankenhaus.»
Während Laura den Wagen durch die nächtlichen Straßen steuerte, dachte sie darüber nach, wie oft sie diesen Weg schon genommen hatte. Über die Isarbrücke hinauf zum Maximilianeum und dann links zum Krankenhaus Rechts der Isar. Die Nacht war klar, kühl und leer. Wie ausgestorben erschien die Stadt, dabei nicht friedlich, eher bedrohlich. Aber Laura konnte ganz gut erkennen, dass dieses Gefühl an ihrem eigenen Zustand lag, an ihrem Zorn über die Situation. Guerrini schlief vermutlich, und der nächste Tag war eigentlich auch schon gelaufen.
«Hey! Fahr mal rechts rein. Da ist der Parkplatz!» Baumanns Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie bremste zu heftig, kam ein bisschen ins Schleudern.
«Was ist denn mit dir los?» Baumann beugte sich zu ihr und betrachtete sie besorgt.
«Nichts! Ich bin nur müde und möchte endlich mal ein paar Tage lang meine Ruhe haben!»
«Na, vielleicht solltest du Urlaub nehmen und wegfahren. Dann geht dich der ganze Mist nichts mehr an. Aber dazu bist du schon wieder viel zu verwurstelt in diese Geschichte, gib’s doch zu!»
«Jajaja!»
Als Laura auf Zehenspitzen und mit den Schuhen in der Hand ihre Wohnung betrat, war es halb vier Uhr morgens. Sie schlich in die Küche, trank ein Glas Wasser, schlich zurück ins Bad, betrachtete sich im Spiegel. Todmüde sah sie aus. Wie gern wäre sie für Guerrini frisch und
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