Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
wurden. Auch seine Eleganz erschreckte sie. Er trug einen dunkelblauen Anzug, hätte ein Geschäftsmann oder ein Diplomat sein können.
Als er sie entdeckte, machte ihr Herz einen Sprung, und sie konnte sich selbst nicht begreifen, verstand nicht, warum sie ihm nicht entgegenlief und sich in seine Arme warf.
Er lächelte, rührte sich aber nicht von der Stelle, und Laura wusste, dass es an ihr war, ihm entgegenzugehen. Mit Mühe überwand sie diese merkwürdige Lähmung, konnte sich endlich bewegen, stand gleich darauf vor ihm, und dann lachten sie gleichzeitig los. So laut, dass die Umstehenden, selbst die eilig Hastenden sich nach ihnen umsahen.
«Buona sera, Commissaria», sagte er. «Ich erinnere mich daran, dass du in Florenz einmal gesagt hast, du seist neurotisch. Ich glaube inzwischen, dass dieses Problem uns beide betrifft!»
Laura ließ versehentlich die Rose fallen, umfasste sein Gesicht mit beiden Händen, zog ihn zu sich und küsste ihn. Ein paar Leute applaudierten und lachten ebenfalls, doch Laura und Guerrini achteten nicht auf sie. Als sie sich endlich voneinander lösten, reichte eine alte Dame Guerrini die Rose, die Laura aus der Hand gefallen war.
«Bitte», sagte sie mit einem sehnsüchtigen Ausdruck in den Augen. «Wenn ich sie beide so sehe, dann wäre ich gern noch ein paar Jahre jünger!»
Ich auch, dachte Laura und musste wieder lachen.
Er war also da. Laura hatte beschlossen, nicht zu Hause zu kochen, sondern mit Angelo und ihren Kindern essen zu gehen. Eine Wirtshausatmosphäre würde die Annäherung zwischen allen erleichtern, das jedenfalls hatte Laura gedacht. Falls das Gespräch ins Stocken kommen sollte, waren da noch die Stimmen der anderen Gäste. Deshalb hatte Laura auch kein kleines intimes Restaurant ausgewählt, sondern das Hofbräuhaus am Wiener Platz, das immer voll und laut war.
Als Laura mit Angelo vom Bahnhof zurückkehrte, waren Luca und Sofia zwar zu Hause, hatten sich aber in ihre Zimmer zurückgezogen und erschienen erst auf Lauras ausdrückliche Aufforderung.
Sie gaben sich Mühe, doch ihre prüfenden Blicke und ihre Verstocktheit passten nicht zu ihnen. Sie waren nicht offen wie sonst, sondern fest verschlossene Austern. Laura kannte ihre Kinder.
Angelo hielt sich tapfer. Er biederte sich nicht mit irgendwelchen Mitbringseln an, sondern erklärte den beiden, dass er Geschenke erst mache, wenn er Menschen kenne. Das zumindest nahm Luca für ihn ein, denn er hasste unpassende Geschenke, für die er sich bedanken musste. Luca war auch derjenige, der Angelo auf dem Weg ins Wirtshaus in ein höfliches Gespräch verwickelte, ihn fragte, ob er ein Commissario sei wie seine Mutter.
Sofia sagte nichts, musterte Angelo nur hin und wieder mit diesem Blick, den Laura nicht deuten konnte. Was die Sache etwas erleichterte, war, dass sowohl Luca als auch Sofia ziemlich gut Italienisch sprachen. Laura hatte sie mit Bedacht zweisprachig aufwachsen lassen. Trotzdem war klar, dass Angelo und die Kinder eigentlich nichts verband. Dazu kam, dass sowohl Luca als auch Sofia in den vergangenen Tagen ihren Vater in einer Art Helden- und Beschützerrolle erlebt hatten. Keine guten Voraussetzungen für ein entspanntes Abendessen also.
Angelo Guerrini sah sich etwas erstaunt in den riesigen Räumen des Brauhauses um und vermutete, dass es so ähnlich auf dem «festa della birra» zugehen müsse, womit das Oktoberfest gemeint war. Alle vier bestellten Schweinebraten und Knödel, weil das ein besonders originales Gericht war, und damit war über diesen ersten Abend eigentlich alles gesagt.
Als sie endlich wieder zu Hause anlangten, hatte Laura leichte Bauchschmerzen, weil sie eigentlich nie Schweinebraten und Knödel aß und ihr die Kommunikationsprobleme mit den Kindern ebenfalls auf dem Magen geschlagen waren. Deshalb war sie froh, als Luca und Sofia sich ins Wohnzimmer zurückzogen, um sich einen Film anzusehen. Es waren ja Ferien, und sie konnten am nächsten Morgen ausschlafen. Laura war es völlig egal, um welchen Film es sich handelte – sie wollte nur endlich mit Angelo allein sein.
Er hatte ein paar Flaschen von Lauras Lieblingswein aus Montalcino mitgebracht, und sie hätte viel darum gegeben, mit ihm wie bei ihrer ersten Begegnung in Serafinas Osteria in Buonconvento zu sitzen. Aber nun saßen sie eben in Lauras blau lackierter Küche, mit gelben Tulpen auf dem Tisch, und stießen ein bisschen beklommen auf ihr Wiedersehen an.
Laura spürte, dass sie sich nicht wirklich
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