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Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Titel: Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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lernen. Nur zwanzig Minuten. Das reicht. Kurzzeitgedächtnis auffrischen!»
    «Gut! Ich mach inzwischen Frühstück.»
    Luca zwinkerte seiner Mutter zu und verschwand in seinem Zimmer.
    Er wird bald siebzehn und gebärdet sich wie zwanzig, dachte Laura. Mir soll’s recht sein.
    Ganz vorsichtig schaute sie ins Zimmer ihrer Tochter, musste einfach sicher sein, dass sie da war. Sofia lag auf dem Bauch, das Gesicht in Kissen vergraben und ihr langes dunkles Haar ausgebreitet wie … Erschrocken schob Laura den Vergleich weg. Was auch immer dazu geführt hatte, dass diese junge Frau aus dem Fenster stürzte – sie, Laura, würde ihre eigene Tochter davor bewahren. Würde sie? Wäre sie dazu wirklich in der Lage? Sie wusste es nicht. War eigentlich ziemlich sicher, dass sie es nicht können würde. Wollte auch das nicht wissen. Machte einfach, was sie immer machte. Legte die frischen Semmeln in den Brotkorb, füllte den Schnellkocher mit Wasser, nahm die Butter aus dem Kühlschrank, damit sie weich wurde.

«ES IST wirklich sehr seltsam!», sagte Andreas Havel. Der Spezialist für Spurensicherung verzog sein jungenhaftes Gesicht so sehr, dass es wie zerknautscht wirkte. Er stand vor dem Fenster in Lauras Büro und schaute zu den Türmen des Frauendoms hinüber.
    «Was ist seltsam?» Laura lehnte sich in ihrem Ledersessel zurück und verschränkte die Arme.
    «Dass dieses Fenster so vollkommen makellos war. Wir haben wirklich jeden Millimeter untersucht. Es gibt keinen Fingerabdruck, keine Haare, keine Fasern, absolut nichts. Sie muss hinausgeschwebt sein. Auch am Boden, an der Wand, auf der Treppe – nichts!»
    «Und was schließt du daraus?»
    «Na, dass sie hinausgeschwebt ist, das sagte ich doch bereits!» Die Ironie in seiner Stimme war kaum wahrnehmbar.
    «Was noch?» Laura passte ihren Ton dem seinen an.
    Andreas Havel wandte sich langsam um und zwinkerte Laura zu. «Dass jemand geputzt hat – und zwar sehr sorgfältig.» Havel lebte schon seit sieben Jahren in Deutschland, doch sein tschechischer Akzent war noch immer deutlich hörbar. Laura hoffte, er würde ihn nie verlieren. Sie liebte diesen Singsang, der die deutsche Sprache so viel weicher machte, ja zu unverhoffter Neuentdeckung mancher Wörter führte.
    «Geputzt», wiederholte Laura nachdenklich und so gedehnt wie ihr Kollege. «Zeit genug hätte dieser Jemand gehabt. Der Notarzt meinte, dass sie mindestens drei bis vier Stunden tot war, ehe die alte Frau Burger sie gefunden hat.»
    «Bleibt uns nichts anderes, als auf das Ergebnis der Autopsie zu warten. Ich hab denen schon gesagt, dass sie vor allem auf äußere Spuren achten sollen.» Havel seufzte, lächelte dann unverhofft, irgendwie schief und ein bisschen verzweifelt. «Eine traurige Sache, nicht wahr! So ein schönes Mädchen.»
    Laura dachte plötzlich, ob sie alle ebenso erschüttert wären, wenn das Mädchen hässlich gewesen wäre? Oder alt? Wenn an ihrer Stelle die alte Frau Burger auf den Pflastersteinen des Hinterhofs zerschellt wäre? Ein Routinefall wäre das vermutlich geworden. Klarer Fall von Altersdepression. Den Hund hätte man ins Tierheim gesteckt oder eingeschläfert. Und das ganze Leben davor hätte man nicht mehr angeschaut, weil es ja vorüber war.
    «Was denkst du?» Andreas Havels Worte rissen Laura aus ihren Gedanken.
    «Ich hab darüber nachgedacht, warum wir so traurig über diesen Tod sind … Ist doch ein Fall wie unzählige andere.»
    Havel nickte. Er war dreißig, sah jedoch meistens wie Anfang zwanzig aus, besonders wenn er lächelte. Jetzt lächelte er. «Wahrscheinlich sterben wir bei jungen Menschen alle ein bisschen mit. Bei Kindern ist es noch schlimmer.»
    Laura atmete tief ein, schob den Gedanken an ihre Tochter weg, der bei Havels Worten wieder in ihr aufgestiegen war. «Ja, wahrscheinlich ist es so», sagte sie leise. «Wir haben also nichts in der Hand.»
    «Nein, nichts.»

    Die gütige Seele, auf die Kommissar Peter Baumann den ganzen Tag gewartet hatte, meldete sich kurz vor Dienstschluss. Seine Befragungen der Bewohner des Schwabinger Hauses, in dessen Innenhof die Tote gefunden worden war, hatten ihn nicht sehr weit gebracht. Zumal er ohnehin nur die Hälfte der Leute erreicht hatte.
    Es war ein Kollege in der Vermisstenabteilung des Münchner Polizeipräsidiums, der kurz nach fünf anrief und mutmaßte, dass er Baumann eine große Freude machen könne.
    «Lange dunkle Haare, südländischer Typ, 1,68   m groß, Anfang zwanzig!», erwiderte

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