Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
Garten.
«Wann haben Sie Valeria gesehen?» Laura versuchte ganz ruhig und sachlich zu bleiben.
«Gestern Abend. Es war schon dunkel. Ich bin so sehr erschrocken, dass ich laut geschrien habe. Dann rief ich meinen Schwager an. Er kam sofort und hat mich ausgelacht. Danach hat er den Garten durchsucht … nichts gefunden. Ich hatte solche Angst, konnte einfach nicht allein bleiben. Deshalb blieb er hier. Aber heute Morgen war er nicht da! Verstehen Sie? Er war einfach nicht mehr da!» Ihre Stimme war immer lauter geworden, kippte, und wieder schluchzte sie auf, bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen. Von ihrer distanzierten Arroganz war nichts mehr übrig.
«Könnte es sein, dass Ihr Schwager nach Hause gefahren ist?»
«Nein, nein! Sein Wagen ist noch hier, seine Schlüssel. Die Tür zum Gästezimmer stand offen und auch die Terrassentür zum Garten. Er muss nachts hinausgegangen sein. Vielleicht hat er etwas gehört, vielleicht hat er sie gesehen und ist ihr nachgelaufen … Frau Gottberg, ich bin kein Mensch, der an Geister glaubt … Aber ich habe sie gesehen. Es war eindeutig Valeria!»
«Sie haben die Terrassentür wieder geschlossen …»
«Natürlich! Ich hatte Angst, verstehen Sie!»
«Welchen Grund könnte Valeria haben, Ihren Mann oder Sie anzugreifen?», fragte Laura.
Ranata Denner sprang auf.
«Grund? Es gibt keinen Grund! Das ist ein Albtraum, ein Horrorfilm!»
Laura zog ihr Handy aus der Jackentasche.
«Wen rufen Sie an?» Die Augen der Ärztin verengten sich zu misstrauischen Schlitzen.
«Die Spurensicherung und meinen Kollegen, den Sie ja bereits kennen. Wir müssen Ihren Schwager suchen und herausfinden, wen Sie im Garten gesehen haben.»
«Aber es war ganz sicher Valeria!»
«Frau Doktor Denner, ich würde vorschlagen, dass Sie eine Beruhigungstablette nehmen und sich eine Weile hinlegen. Wenn meine Kollegen hier sind, können Sie sich ausruhen und brauchen keine Angst zu haben. Weshalb haben Sie mich eigentlich nicht gestern Abend angerufen?»
«Sie halten mich für verrückt, nicht wahr? Ich habe es gewusst, dass man mich für verrückt halten würde.»
«Nein, ich halte Sie nicht für verrückt. Aber ich wundere mich etwas.»
Renata Denner starrte vor sich hin, fuhr dann wieder auf.
«Bleiben Sie auch hier? Bitte bleiben Sie hier, Kommissarin!»
«Das wird nicht nötig sein. Mein Team ist sehr gut, und ich habe heute eigentlich frei. Auf mich warten zwei Kinder!»
Gut gelogen, dachte Laura. Zwei Männer warten auf mich. Einer, der wahrscheinlich gerade aufwacht und sich fragt, wo ich bin, und einer, der gerade zum fünften Mal die Lammkeule in ihrer Beize wendet und vor Aufregung über Guerrinis Besuch vermutlich nicht geschlafen hat.
«Ich bete!», sagte Laura, als Guerrini sie fragte, warum sie mit geschlossenen Augen vor dem Haus ihres Vaters stehen blieb.
«Ist dein Vater so schlimm?»
«Nein, ich bete, dass meine Kollegen die Leiche von Denners Bruder nicht vor dem späten Nachmittag finden!»
«Meinst du, dass Gott solche Gebete erhört?»
«Ich habe nicht zu Gott gebetet, sondern zum heiligen Antonius von Padua!»
«Was hat der mit Leichen zu tun?»
«Er war der Spezialheilige meiner Mutter und ist für alles zuständig, was unsere Familie betrifft! Er wird verstehen, dass ich mich sehr darauf freue, mit dir und Vater zu kochen. Ich freu mich darauf, dass er dich endlich kennen lernt.»
«Soso», machte Guerrini.
«Er hat einen speziellen Humor.»
«Mein Vater auch.»
«Dann also los!» Laura klingelte, und der Türöffner summte so blitzschnell, dass Emilio Gottberg wartend neben seiner Wohnungstür gestanden haben musste. Guerrini trug in einer Tasche zwei Flaschen eines sehr alten Barolos und strich sich mit der freien Hand etwas nervös übers Haar.
«Ich komme mir vor, als würde ich um deine Hand anhalten!»
«Bitte tu’s nicht», flüsterte Laura zurück. «Sonst müsste ich dich sofort verlassen!»
«Das musst du mir erklären!»
«Später.»
Sie hatten die Treppe genommen, nicht den Lift. Dr. Emilio Gottberg stand in der Tür zu seiner Wohnung, hoch aufgerichtet, den Kopf ein wenig nach vorn geneigt, mit diesen aufmerksamen Augen, die Laura so gut kannte. Er war frisch rasiert, hatte sein dünnes weißes Haar sorgfältig nach hinten gekämmt und trug einen hellgrauen Anzug über einem schwarzen T-Shirt. Kein Hemd, keine Krawatte. Das hatte er kürzlich in einem Magazin gesehen, und es hatte ihm gefallen.
«Ah, da seid ihr ja», rief
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