Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
abgefärbt. Meine Frau hätte ihre helle Freude an diesem ‹Mordfall› in Siena gehabt. Und ich bin sicher, dass sie zu einer ähnlichen Lösung kommen würde, nicht wahr, Laura?»
Laura nickte. «Aber sie hätte es nicht gebilligt!»
Worauf alle drei in Gelächter ausbrachen.
Sebastian Denners Leiche wurde gegen halb fünf von einem Irischen Setter namens Lord entdeckt. Sie hing zwischen den ausgewaschenen Wurzeln einer alten Weide im tiefen Wasser des Eisbachs, war offenbar von der Strömung unter den Baum getragen worden. Der Hund war einem schmalen Kaninchenpfad gefolgt und eher zufällig auf den Toten gestoßen. Die tief in seinen Genen schlummernde Bestimmung seiner Hundeexistenz erwachte, und er blieb reglos am Ufer stehen und verbellte den Fund, bis sein Herr sich einen Weg durchs Gebüsch gebahnt hatte. Nach dem ersten Schreck rief der Hundebesitzer andere Spaziergänger herbei und zog gemeinsam mit ein paar Beherzten den Toten aus dem Wasser, während die weniger Mutigen per Handy Notarzt und Polizei alarmierten.
Eine Frau meinte, man solle die Leiche im Wasser lassen, eben genau so, wie der Hund sie gefunden hatte. Aber sie wurde überstimmt. Man könne den Mann nicht einfach im Wasser lassen, mit dem Kopf nach unten. Vielleicht gab es ja eine winzige Chance, ihm Leben einzuhauchen. Doch als der schlaffe Körper am Ufer lag, sahen alle, dass es keine Rettung mehr gab. Der Mann hatte offensichtlich viele Stunden im Wasser gelegen, und weil sein Hemd nach oben gerutscht war und den gebräunten Bauch freigab, war außerdem die schmale, sauber ausgewaschene Wunde unter seinem Rippenansatz nicht zu übersehen.
«Der ist umgebracht worden», sagte der Besitzer von Lord erschüttert, packte den Hund am Halsband und trat zwei Schritte zurück. «Ab jetzt nicht mehr anfassen!»
Dr. Renata Denner presste ihren Rücken an die Wand und starrte Laura Gottberg und Guerrini aus weit aufgerissenen Augen an. «Nein!», schrie sie. «Nein, nein, nein! Sie wird uns alle umbringen! Einen nach dem anderen!»
Laura schob die Frau zu einem der blauen Sessel. Sie ließ es mit sich geschehen, fiel regelrecht, zog die Beine an, drehte sich zur Seite und schloss die Augen. Laura kniete neben ihr auf dem weichen blauen Teppich.
«Hören Sie, Frau Denner. Der Tod Ihres Schwagers ist ein großer Schock für Sie. Aber Valeria Cabun ist tot! Tote laufen nicht mit Messern herum. Und falls es so etwas wie Geister gibt, dann können die Lebende höchstens erschrecken, aber sicher niemanden umbringen. Es muss also eine andere Person hinter diesen Messerattacken stehen!»
Ein Zucken lief durch Renata Denners Körper. «Sie halten mich für verrückt, nicht wahr?», flüsterte sie heiser. «Dabei dachte ich, dass Sie mich vielleicht verstehen würden. Denken Sie, dass mein Mann auch verrückt ist? Wir beide haben Valeria gesehen. Beide!»
«Gut. Sie beide haben Valeria gesehen. Es muss also einen Grund geben, warum sie Ihnen erscheint! Was könnte das sein?»
«Ich habe keine Ahnung!» Renata Denner fuhr auf. «Absolut keine! Sie war unser Au-pair-Mädchen. Sonst nichts. Aber da war etwas Dunkles um sie – genau wie um ihren schwarzen Freund …»
«Sie kannten ihn also doch?»
«Nein, nein, nein!» Wieder schrie sie. «Ich kannte ihn nicht! Vielleicht habe ich ihn ein- oder zweimal gesehen, wenn er sie abgeholt hat. Ich weiß nur, dass er mir unheimlich war!»
Laura dachte an Roberto Malenge. Da war nichts Unheimliches um diesen jungen Mann. Plötzlich setzte sich Renata Denner sehr gerade auf, kämmte mit gespreizten Fingern ihr wirres Haar zurück und schien gleichzeitig auf seltsame Weise ihre Gesichtszüge zu ordnen.
«Ich muss mich zusammennehmen», murmelte sie. «Entschuldigen Sie mich. Vermutlich habe ich einen sehr schlechten Eindruck gemacht. Aber es war alles ein bisschen viel in den letzten Tagen.» Sie presste die Lippen zusammen, atmete tief ein und tastete mit den Fingerspitzen über ihre Schläfen. «Ich muss wieder sachlich werden. Sie haben natürlich völlig Recht: Es gibt keine Gespenster, die mit Messern herumlaufen. Also, was haben Ihre Leute heute Morgen in meinem Garten gefunden? Lange genug waren sie da.» Sie zog die Augenbrauen ein wenig hoch und warf Laura zum ersten Mal einen Blick zu, der nicht erschrocken, sondern kühl und taxierend war.
«Meine Kollegen haben die Auswertung noch nicht abgeschlossen.»
«Nennen Sie das Effizienz?»
«Nein. Aber es ist Ostersonntag, und die Ergebnisse
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