Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
Nachricht von Luca und Sofia:
«Sind bei Papa. Kommen am Montag wieder. Nicht böse sein. Luca und Sofia.»
«Natürlich bin ich böse», rief Laura. In ihrer Brust steckte plötzlich ein viereckiger Klotz. «Ich bin total böse!» Sie biss die Zähne zusammen, um nicht in Tränen auszubrechen. Doch als Angelo die Arme um sie legte, verlor sie die Selbstbeherrschung und weinte an seiner Schulter.
«Du hast dir gewünscht, dass sie mich sofort in die Familie aufnehmen, nicht wahr?», flüsterte er in ihr Ohr. «Ich habe das gar nicht erwartet, Laura. Sie sind in einem schwierigen Alter. Lass sie doch. Sie werden schon kommen, da bin ich sicher. Beide haben gelacht, als ich ihnen Sketche von Benigni vorgeführt habe.»
Laura wischte sich die Augen. «Führst du mir auch welche vor?»
«Wenn es passt. Ich liebe Benigni.»
Laura brach erneut in Tränen aus.
«Was ist denn so schlimm daran?» Er suchte nach einem Taschentuch.
«Es ist … überhaupt nicht schlimm. Es ist wunderbar!»
«Grazie, aber offenbar nicht wunderbar genug, denn sonst wären die beiden nicht zu ihrem Vater geflüchtet … worüber ich andererseits nicht unglücklich bin, denn auf diese Weise kann ich mit dir allein sein. Und jetzt lass uns etwas kochen!»
Laura schluckte entschlossen ihre Tränen hinunter. «Ich habe frischen Seelachs im Kühlschrank. Den dünsten wir jetzt und bitten Gott um Verzeihung, dass wir gestern Schweinebraten gegessen haben.»
«Dio mio! Ich hatte ganz vergessen, dass Karfreitag war!»
«Ich auch. Deshalb holen wir das heute nach.»
Das Lachen kam ganz leicht, und trotzdem spürte Laura noch immer eine Ahnung des viereckigen Klotzes nahe am Herzen.
Es gab keine Integration ihrer Beziehung ins normale Leben. Die Kinder streikten. Sie und Angelo befanden sich wieder in dieser Exklusivsituation, die Laura zwar bewahren wollte, die ihr aber trotzdem etwas unbehaglich war.
Ich bin genauso gespalten wie diese Situation, dachte sie, während sie eine Tasse Tee aufgoss. Wieder war sie vor Angelo aufgewacht, aber immerhin hatte sie sieben Stunden geschlafen, mehr als seit Wochen. Draußen begann ein klarer Tag, und die Vögel sangen auf allen Dächern.
Als das Telefon klingelte, dachte Laura an ihren Vater, an die Kinder, doch die heisere, von Schluchzen unterbrochene Stimme am anderen Ende gehörte Renata Denner.
«Ich muss mit Ihnen sprechen. Sofort! Bitte kommen Sie, bitte!»
«Was ist denn geschehen?» Laura fiel nichts Besseres ein. «Woher haben Sie meine Nummer?»
Keine Störung, bitte, dachte sie. Einmal in Ruhe Tee trinken und nachdenken.
«Ihr Assistent hat mir die Nummer gegeben. Ich spreche nur mit Ihnen, mit keinem anderen Menschen. Ich will nicht, dass man mich für verrückt hält.»
«Weshalb sollte man Sie für verrückt halten?»
«Das kann ich nicht am Telefon sagen. Bitte kommen Sie! Ich bin allein im Haus. Meine Schwiegermutter hat die Kinder mitgenommen, gestern Abend schon … damit ich etwas Ruhe habe. Aber jetzt … ich glaube, es ist etwas Entsetzliches geschehen!»
«Ich komme.» Laura legte das Telefon weg, rührte einen halben Löffel braunen Zuckers in ihre Tasse und trank mit vorsichtigen Schlucken. Der Fall Cabun nahm immer verworrenere Formen an, und obwohl sie gern zu Angelo unter die Bettdecke geschlüpft wäre, überwog im Augenblick ihre Neugier.
«ICH WEISS NICHT, wo ich anfangen soll?» Renata Denner war sehr bleich, ihr Haar nicht so sorgfältig gekämmt wie beim ersten Treffen. Sie rang ihre Hände, ließ sich in einen der tiefen blauen Sessel fallen, sprang wieder auf, ging unruhig umher.
Laura stellte sich an die riesige Fensterfront und schaute zu den hohen Bäumen hinüber. Nur der Eisbach und ein hoher Drahtzaun trennten das Dennersche Anwesen vom Englischen Garten.
«Hat es etwas mit dem Überfall auf Ihren Mann zu tun?», fragte sie.
«Ja, auch!» Die Ärztin schluchzte auf, setzte sich wieder. Sie schien völlig durcheinander und kurz vor einem Zusammenbruch. Laura ging zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
«Es geht schon», flüsterte Renata Denner. «Warten Sie … hat mein Mann Ihnen erzählt, dass Valeria ihn erstechen wollte?» Sie sprach hastig und undeutlich. Laura nickte.
«Ich hielt es für ein Hirngespinst, war ganz sicher, dass es dieser Schwarze war! Aber inzwischen ist etwas passiert, das ich nicht begreifen kann … Ich habe … sie hier am Fenster gesehen …» Mit zitternder Hand wies Renata Denner in den
Weitere Kostenlose Bücher