Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
Haarsträhne unter ihrer Haube fest, nickte leicht.
«Er redet dauernd von einer Valeria. Die muss ihn wohl ziemlich erschreckt haben. Kennen Sie die Frau?»
«Ja», antwortete Laura, «ich kenne sie.» Es war der Schwester anzusehen, dass sie gern mehr gewusst hätte, doch sie fragte nicht nach.
Kurz darauf stand Laura neben Christoph Denners Bett, dachte, wie oft sie dieses Bild schon gesehen hatte, diese grünen Tücher, die Schläuche, Kabel, die Instrumente, das stets zu grelle Licht, das in ihr ein Gefühl auslöste, als wäre sie in einer Art Vorhölle angekommen.
«Nur ein paar Minuten», flüsterte die Schwester. Auch diesen Satz hatte Laura unzählige Male gehört.
«Ich hole einen Arzt!»
Laura wollte sagen, dass es nicht nötig sei, doch die Schwester war schon fort. Christoph Denner lag ganz still. Sein Gesicht sah grau aus, die Haut grob, wie brüchiger Zement. Er hielt die Augen geschlossen, doch nach einer Weile schien er ihre Anwesenheit zu spüren, denn seine Lider begannen zu zucken. Es schien ihn große Mühe zu kosten, seine Augen zu öffnen, endlich riss er sie geradezu auf, als erwarte er Schreckliches, schloss sie sofort wieder und hauchte kaum hörbar: «Ach, Sie sind es. Gut, dass Sie da sind.»
Laura trat näher an sein Bett heran, beugte sich zu ihm hinab. Er schluckte schwer, stieß ein tiefes Stöhnen aus. «Sie war da! Sie haben mir etwas Falsches erzählt, Kommissarin!»
«Wer war da?»
«Valeria Cabun!» Denner verzerrte sein Gesicht. Laura wusste nicht, ob voll Schmerz oder Schrecken.
«Valeria Cabun war wo?», fragte sie und legte eine Hand auf seinen Oberarm. Wieder riss er die Augen auf.
«Sie stand vor mir. Sie lachte, breitete ihre Arme aus, dann stach sie zu.» Unruhig warf er sich hin und her.
«Valeria ist tot, Doktor Denner.»
«Nein!» Er schüttelte heftig seinen Kopf. «Nein, nein! Sie ist nicht tot! Sie stand vor mir! Ich habe sie genau gesehen! Das ist keine Einbildung, Kommissarin. Sie hat uns alle hinters Licht geführt.»
Laura wusste, dass es keinen Sinn hatte, mit ihm zu streiten. Er war völlig gefangen in seiner Vorstellung.
«Sie wird wiederkommen …», flüsterte er jetzt und griff nach Lauras Hand. «Sie wird es noch einmal versuchen. Bitte beschützen Sie mich. Bitte lassen Sie Valeria nicht herein!» Er brach in Schluchzen aus, hustete.
«Ich denke, das brechen wir jetzt lieber ab», sagte eine weibliche Stimme mit Bestimmtheit hinter Laura. Als sie sich umdrehte, schaute sie genau in die Augen einer hübschen jungen Frau, deren Gesicht mit Sommersprossen übersät war. Sie trug den grünen Anzug einer Chirurgin, ihr langes Haar war zu einem straffen Pferdeschwanz zusammengefasst, um ihren Hals baumelte ein Mundschutz. Sie bedachte Laura mit einem leichten Stirnrunzeln, nahm Denners Hand, kontrollierte die Instrumente und murmelte in paar beruhigende Worte. Erstaunlicherweise entspannte er sich schnell, schien Vertrauen zu der jungen Ärztin zu haben.
«Schlafen Sie, Doktor Denner», sagte sie leise. «Es kann Ihnen nichts geschehen. Hier sind Sie in Sicherheit!» Mit einer Kopfbewegung und einem halben Lächeln bat sie Laura hinaus, folgte ihr nach wenigen Minuten.
«Er schläft jetzt. Ich habe ihm ein Beruhigungsmittel gegeben. Doktor Denner ist schwer traumatisiert. Können Sie mir erklären, wer diese Valeria ist, von der er dauernd spricht? Seine Frau behauptet, es nicht zu wissen.»
«Interessant!» Laura sah die junge Ärztin nachdenklich an. «Valeria war das Au-pair-Mädchen der Familie Denner. Sie starb vor einer Woche unter ungeklärten Umständen.»
Die Ärztin runzelte ihre Stirn. «Dann kann sie ihn ja gar nicht überfallen haben.»
«So ist es.»
«Aber warum spricht er dann dauernd von ihr und verfällt regelrecht in Panik? Warum behauptet seine Frau, das Mädchen nicht zu kennen?»
«Das, Frau Doktor, ist ein Geheimnis, das ich zu klären versuche. Kann es sein, dass er aufgrund des Traumas Wahnvorstellungen hat?»
Sie zupfte an ihrem Mundschutz, zuckte die Achseln. «Angstzustände sind bei Traumatisierten verbreitet. Aber so konkrete Phantasien eher ungewöhnlich. Ich war ganz sicher, dass er diese Valeria gesehen hat, ehe er niedergestochen wurde.»
«Und ich hatte erwartet, dass er etwas ganz anderes gesehen hat!», erwiderte Laura nachdenklich.
«Glaubst du an Geister?» Laura saß neben Guerrini in ihrem alten Mercedes. Sie waren auf dem Weg zu einer Stadtrundfahrt.
«Sehr individuell … nur an meine
Weitere Kostenlose Bücher