Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
er, als sie nur noch drei Schritte von ihm entfernt waren. «Benvenuto, Commissario! Schade, dass meine Frau Sie nicht mehr kennen lernen durfte. Aber ich freu mich sehr!» Er streckte Guerrini beide Hände entgegen, und der reichte die Weinflaschen schnell an Laura weiter, ehe er die Hände des alten Mannes ergreifen konnte.
«Wo sind die Kinder?», fragte Emilio Gottberg endlich.
«Bei ihrem Vater. Sie haben sich aus dem Staub gemacht, Papa.» Laura küsste ihren Vater auf die Wange.
«Aus dem Staub gemacht?»
«Ja, aus dem Staub gemacht. Mögen wohl nicht, dass ich einen Freund habe.»
Emilio Gottberg fixierte seine Tochter ein paar Sekunden lang.
«Hast es ihnen zu spät gesagt, was? Wenn ich es nicht selbst gemerkt hätte, wüsste ich’s ja auch bis heute nicht! Ist es denn in deinen Augen verboten, einen Freund zu haben? Was ist denn mit dir los, Laura?»
Guerrini schaute fragend vom alten Gottberg zu Laura, denn er verstand nicht, worum es ging.
«Scusi!» Emilio Gottberg fasste Guerrini am Arm und führte ihn in die Küche. «Ich musste meiner Tochter eben ein paar Wahrheiten sagen. Nichts Ernstes!» Er sprach fast akzentfreies Hochitalienisch, reichte ihnen Gläser, die er bereits halb mit Rotwein gefüllt hatte, und erklärte, dass er Prosecco hasse. Dann stieß er mit ihnen an, auf das Leben und die Liebe.
Es wurde – auf unerwartete Weise – ein ganz entspanntes fröhliches Zusammensein. Guerrini hackte Zwiebeln, Laura putzte Bohnen und schälte Kartoffeln. Emilio Gottberg wachte über die Lammkeule, begoss und wendete sie mit Hingabe. Vielleicht tranken sie ein klein wenig zu viel vom roten Wein, jedenfalls schmückte Angelo den angeblichen Mordfall mittels eines toten Hundes so lebendig aus, dass Lauras Vater sich vor Lachen an die Wand lehnen musste. Er verzichtete auch beim Essen auf seine üblichen Sticheleien, lobte seinen Braten und das übrige Menü, befragte zwischendurch Guerrini geschickt über dessen Leben. Laura dachte, dass ihr Vater ein echter Fuchs sei, schlürfte genüsslich den schweren Rotwein und fühlte sich seit Wochen zum ersten Mal richtig wohl. Über zwei Stunden verbrachten sie essend, trinkend und redend. Guerrini betrachtete lange ein Foto von Lauras Mutter, das der alte Gottberg ihm ganz beiläufig hingelegt hatte. Als sie beim Espresso angelangt waren, wirkte Lauras Vater plötzlich sehr müde. Trotzdem bestand er darauf, ihnen beim Aufräumen der Küche zuzusehen.
«Hinlegen kann ich mich später», verkündete er. «Ich habe endlos Zeit, mich hinzulegen. Aber euch kann ich nicht endlos lange ansehen. Mir ist übrigens während des köstlichen Essens etwas eingefallen, Commissario. Ich denke, dass ich inzwischen weiß, wer Ihrer ehrenwerten Signora Malenchini den toten Hund vor die Tür gelegt hat.»
«Na, da bin ich aber gespannt.» Guerrini blickte von der Spülmaschine auf, die er gerade einräumte.
«Es war Ihr reizender Signor Bembo! Ein kluger alter Mann, der nichts zu tun hat und sich über die Dummheit der meisten Mörder ärgert. Als er den toten Hund fand, sah er plötzlich die Möglichkeit, das perfekte Verbrechen zu begehen. Ich nehme an, dass es ihm … bei allem Herzklopfen … eine Menge Spaß gemacht hat.» Emilio Gottberg lächelte verschmitzt.
«Obwohl er damit einen Menschen umgebracht hat?»
«Ach, wissen Sie, Commissario. Ich kenne mich aus mit alten Männern, die nichts zu tun haben. Und in meinem Alter, das ja dem Alter von Signor Bembo entspricht, sorgt man sich nur noch um das Leben der Jungen. Wir Alten leben in nachbarschaftlicher Beziehung zur Ewigkeit. Er wird sich gedacht haben, dass Signora Malenchini den Verlust ihres Hundes ohnehin nicht überleben wird. Ganz egal, wer ihn vor ihre Tür legt oder ihr die Nachricht überbringt. Und ich als Rechtsanwalt kann Ihnen auch sagen, dass Sie Signor Bembo weder überführen noch festnehmen können. Wer will ihm die Absicht nachweisen, wer ihm verbieten, den toten Hund vor die Tür seiner Besitzerin zu legen?»
Guerrini lächelte grimmig. «Sie meinen also, dass er den perfekten Mord begangen hat, Dottore?»
«Ja, das meine ich, und entschuldigen Sie meine Moralvorstellungen, aber ich gönne es dem alten Herrn.»
Angelo Guerrini sah Lauras Vater verblüfft an, räusperte sich dann und sagte: «Sind Sie sicher, Dottore, dass Sie Deutscher und nicht Italiener sind?»
«Ganz sicher!», lachte Emilio Gottberg. «Aber meine Ehe mit einer waschechten Florentinerin hat auf mich
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