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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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bist gekommen, weil du mich exkommuniziert zur Hölle fahren sehen willst.«
    »Aber nicht doch, Henry. Ich möchte nur auf deinem Grab tanzen.«
    »Ich wußte es. Willkommen in Chinon, Alienor.«

    Chinon war eine der größten Burgen auf dem Festland und in den letzten Jahren zu einer von Henrys bevorzugten Residenzen geworden. Er hatte Chinon diesmal sehr bewußt ausgewählt, und auch das im prunkvollen Stil abgehaltene Weihnachtsfest war darauf angelegt, Stärke zu demonstrieren. Henry und seine Gemahlin gingen miteinander um wie zwei Katzen, die in denselben Käfig gesperrt worden waren - sie lauerten sich gegenseitig auf und tauschten gelegentlich Tatzenschläge aus.
    Alienor war nun achtundvierzig Jahre alt, doch obwohl Grau ihr Haar durchzog und sich um Augen und Mund Falten gebildet hatten, wirkte sie nicht wie eine Mutter von zehn Kindern. Ihr Körper war schlank und elastisch wie eh und je.
    »Was hält dich jung«, fragte Henry, »das Blut neugeborener Kinder, oder sind es Beschwörungstänze bei Mondschein?«
    »Oh, es ist ganz einfach. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ich dich nicht überlebte.«
    »Richtig, wir müssen immer in Gedanken an die Zukunft leben.
    Apropos, nimmst du noch an Hals zweiter Krönung teil oder reist du sofort nach dem Fest ab?«
    Alienor hob die Brauen. »Hal darf gekrönt werden? Von wem denn?«
    »Der Bischof von Winchester«, sagte Henry, »ist nicht exkommuniziert, und ich habe dem Heiligen Stuhl ein Angebot gemacht, das er nicht ablehnen kann.«
    Alienor zeigte echtes Interesse. Henry musterte sie über seinen Weinbecher hinweg. »Weil du es bist - hier ist meine Weihnachtsüberraschung für dich. Ich werde einen öffentlichen Bußakt leisten, der so demütig ist, daß er selbst von den Christen der römischen Arena nicht übertroffen werden könnte.« Er holte tief Luft.
    »Ich werde nach Canterbury pilgern und mich von den Mönchen dort öffentlich geißeln lassen.«
    Sie schwiegen.
    »Das ist gut«, sagte Alienor dann mit aufrichtiger Bewunderung.
    Nur Henry konnte auf eine solche Geste kommen, die ihm mit einem Mal wieder die Sympathie und das Mitgefühl der Bevölkerung einbringen würde. Eine Geißelung entsprach ganz der Frömmigkeit des Volkes, und man hatte in der letzten Zeit immer wieder das Verhalten des französischen Königs hervorgehoben, der bereits mehrmals zu Beckets Grab nach Canterbury gepilgert war. Ja, es war ein ausgezeichneter Schachzug, der, auch wenn er zum Teil der Reue ihres Gemahls über den Mord entspringen mochte, zeigte, daß Henry die Schatten von sich abgeschüttelt hatte.
    Andererseits bewies es zusätzlich, daß Alienor sich beeilen mußte.
    »Ich dachte mir, daß es dir gefallen würde«, sagte Henry. »Du möchtest nicht zufällig dabeisein? Der Anblick müßte doch eines deiner Herzensbedürfnisse stillen.«
    »Nein, lieber nicht. Es wäre etwas unpassend, findest du nicht?«
    Zwei Monate später versammelte Henry in Montferrand seine Barone um sich, um dem Verlöbnis seines jüngsten Sohnes John mit der Tochter des Grafen Hubert de Maurienne beizuwohnen. Da man nach der Lehnshuldigung an Louis annahm, daß der Königstitel, die Normandie und Anjou an Hal, Aquitanien an Richard und die Bretagne an Geoffrey fallen würden, fragte der Graf mit einiger Berechtigung, welches Erbe denn John zu erwarten hätte.
    »Die Burgen von Chinon, Loudun und Mirebeau«, erwiderte Henry huldvoll. Erstauntes Gemurmel machte sich unter seinen Gefolgsleuten breit, denn das waren drei der wichtigsten Burgen in Henrys Reich überhaupt, an strategischen Kreuzpunkten gelegen. Diese Burgen für seinen jüngsten Sohn?
    »Das kann doch nicht Euer Ernst sein, Vater!« Niemand hatte mit Hals Protest gerechnet.
    Henry runzelte die Stirn. »Und warum nicht?«
    »Diese Burgen einem Kind zu übertragen, ist doch nur ein Trick, damit Ihr sie noch ein Dutzend Jahre behalten könnt.«
    Henry blickte seinen ältesten Sohn forschend an. Äußerlich gesehen kam Hal wohl auf Alienors Familie hinaus, er war blond und hatte edle Züge. Doch in diesem Augenblick fühlte sich Henry mit bestürzender Deutlichkeit an seinen Bruder Geoff erinnert, an die Nacht, in der sie beide vor der Bahre ihres Vaters gestritten hatten.

    »Selbstverständlich behalte ich diese Burgen«, sagte er scharf,
    »doch das täte ich in jedem Fall, ob ich sie nun John übertragen wür-de oder nicht.«
    Hal war aufbrausend wie alle Plantagenets, doch ihm fehlte jene kühle Zurückhaltung, die sich

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