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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Land. Eine riesige Menschenmenge empfing ihn, und die Kathedrale von Canterbury war zu seinem Einzug geschmückt, als gelte es, den Papst willkommen zu heißen.
    Wenige Wochen nach seiner Rückkehr erhielt Becket vom Heiligen Vater die Exkommunikationsbullen der drei Prälaten, die er an-gefordert hatte, und verlas sie öffentlich.
    Henry erfuhr von Beckets Vorgehen am Weihnachtsfest, das er in Lisieux beging. Er hatte einen furchtbaren Wutanfall, denn erstens war es gegen die Konstitutionen, ohne sein Einverständnis mit dem Papst in Verbindung zu stehen, zweitens hatte er es in Freteval für selbstverständlich gehalten, daß der Verzicht auf die Exkommunikation in Beckets Rückkehr mit eingeschlossen war, und drittens zeigte ihm diese Nachricht, daß die Auseinandersetzung mit Thomas nun von vorne anfing.
    »Zum Teufel«, schrie er, »diesen Menschen habe ich aus dem Nichts gezogen und mit meinem Wohlwollen überhäuft, und als Dank verspottet er mich nun vor meinem ganzen Volk. Ist denn hier niemand, der mich von diesem elenden Priester befreit?« Totenstille herrschte. Keiner der Adligen und Bischöfe sagte etwas. Doch noch in derselben Nacht verließen vier von Henrys Baronen Lisieux.
    Am neunundzwanzigsten Dezember erschlugen sie Thomas Becket auf den Stufen seines eigenen Altars in der Kathedrale von Canterbury.
    »Meine Königin«, sagte Saldebreuil de Sanzay, »das ist das größte Verbrechen seit der Kreuzigung.«
    Alienor unterdrückte die zynische Antwort, die ihr auf der Zunge lag, nämlich, daß es auch vor allem die größte Dummheit war. Mit einem Schlag hatte Henry alle Bande zwischen sich und der Kirche zerschnitten.
    Der Schock, den sie wie alle anderen empfunden hatte, als sie von dem Mord erfahren hatte, war verwunden. Sie war in der Lage, die Konsequenzen abzusehen. Es wunderte sie nicht, daß der Papst Henry und seine Barone unverzüglich exkommuniziert und Henrys Gesandtschaften ignoriert hatte. Doch es war nicht allein die Kirche; das ganze Volk war empört, und schon zwei Tage nach Beckets Tod hörte man Berichte von den ersten Wundern, die sich an seinem Grab ereigneten. Blinde, Lahme, alles pilgerte nach Canterbury.
    Alienor schüttelte den Kopf. Vielleicht war es das gewesen, was Thomas Becket von Anfang an gesucht und jetzt endlich gefunden hatte - die Vollkommenheit eines Märtyrers. Sie dachte an Henry.
    Als ihn am Neujahrstag die Nachricht erreichte, hatte er sich mehrere Tage lang in sein Zimmer eingeschlossen und jede Nahrung zurückgewiesen. Anschließend war er wieder in der Öffentlichkeit erschienen, finster und in sich gekehrt, und hatte erklärt, er würde jetzt seinen langgehegten Plan von der Eroberung Irlands verwirklichen.
    Wie immer brachte es Henry fertig, in Alienor einen widersprüchlichen Wirbel von Gefühlen auszulösen. Einerseits war sie froh, ihn so leiden zu sehen. Andererseits konnte sie ihn besser verstehen, als er ahnte. Ihre Kinder waren nur entsetzt von der Tat gewesen, allen voran Hal, den Becket jahrelang erzogen hatte, aber sie hatte sich einen unwirklichen Moment lang Henry so nahe gefühlt, als stünde sie an seiner Seite. Er hatte sich in seinem Zorn gegen Becket gewandt, im Haß, entstanden aus verratener Liebe. O ja, dachte Alienor, sie verstand Henry vollkommen, und sie kannte auch den Grund für seinen plötzlichen Irlandfeldzug - er brauchte eine Situation, die sein Volk wieder hinter ihn stellte, und einen Erfolg, der der Welt half, den Mord zu vergessen.
    »Euer Gnaden?« Sie schrak aus ihren Gedanken auf. Richtig, Saldebreuil hatte ihr eben Henrys Brief vorgelesen und ihr geraten, Beckets Ermordung wegen nicht auf ihren Gemahl zu hören. »Wenn Henry möchte, daß wir nach seiner Rückkehr aus Irland gemeinsam einen Weihnachtshof abhalten«, sagte sie gelassen, »dann werden wir das tun, Becket oder kein Becket.«
    Der Konnetabel war irritiert. Bisher hatte die Königin immer vermieden, mit ihrem Gemahl zusammenzutreffen, und jetzt, wo das Schicksal ihr eine goldene Gelegenheit bot, sich von ihm loszusagen…
    Alienor betrachtete ihn belustigt. Saldebreuil de Sanzay war ein fähiger Mann und schon seit Beginn ihrer Ehe mit Henry ihr Konnetabel in Aquitanien, doch er war zu einfältig, um Alienors Gedan-kengänge nachzuvollziehen. Sie würde, wie Henry es verlangt hatte, nach Abschluß seines Irlandfeldzuges in Chinon erscheinen. Eine solche Zusage war billig und garantierte, daß er in Irland blieb und nicht dazu kam, ihre heimlichen

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