Die Löwin von Aquitanien
unangebrachten Heiterkeit ein Ende zu setzen. »Euer Gnaden, das kann gefährlich sein!«
Die Königin seufzte. »Ja, ich weiß. Ich glaube auch, daß Longchamp einen Fehler gemacht hat - John hat ohnehin in meiner Abwesenheit ständig versucht, die Barone gegen ihn einzunehmen, und jetzt das Asyl zu verletzen, wird ihn viel Unterstützung kosten.«
Der Erzbischof von Rouen stimmte zu. »Habt Ihr Neuigkeiten vom König, Euer Gnaden?«
»Abgesehen davon, daß er sich auf dem Rückweg nach Frankreich befindet, nein.« Walter de Coutances holte tief Luft: »Gott wird ihn für diesen Verrat an der heiligen Sache strafen.«
Alienor blinzelte. »Kein Zweifel, aber er wird sich Zeit damit lassen, und unterdessen rückt unser frommer Philippe immer näher. Ich habe Anweisungen gegeben, die Burgen an unseren Grenzen besetzen zu lassen. Eher vertraue ich auf die Prophezeiungen der Sibylle von Cumäe als auf die Freundschaft des Königs von Frankreich.«
»Er wird es nicht wagen, sich an dem Eigentum eines Kreuzfahrers zu vergehen«, meinte der Erzbischof schockiert, »das widerspräche nicht nur dem Eid, den er geschworen hat, sondern auch allen christlichen Sitten und Gesetzen.«
»Gott erhalte Euch Euren Glauben an Sitte und Gesetz, hochwürdiger Erzbischof.«
Walter de Coutances erwiderte nichts. Er bewunderte die Königin, doch sie brachte es immer wieder fertig, ihn daran zweifeln zu lassen, ob sie überhaupt eine Christin war. Immerhin hatte sie recht; gegenüber Philippe von Frankreich mochte Vertrauen gut, Vorsicht aber noch besser sein.
In den nächsten Tagen trat die bevorstehende Rückkehr des französischen Königs in den Hintergrund vor der Aufregung, die Longchamps Verletzung des Asylrechts auslöste. Eine schnell einberufene Versammlung in der Kathedrale von Sankt Paul setzte ihn kurzerhand ab, und Longchamp blieb nichts anderes übrig, als Hals über Kopf, verkleidet als Frau, aus Dover über den Kanal zu fliehen. Doch bevor seine Feinde, allen voran John, der den Kanzler haßte, aus seinem Sturz Gewinn schlagen konnten, setzte Alienor augenblicklich einen neuen Kanzler ein, Walter de Coutances.
Ein Bote aus dem Heiligen Land brachte Alienor einen Brief ihres Sohnes, in dem er schrieb, er hoffe, nach Weihnachten innerhalb von zwanzig Tagen Jerusalem zurückzuerobern. Er hatte unterdessen auf dem Marsch von Akkon nach Jaffa nördlich von Arsuf seine erste offene Schlacht gegen Saladin gewonnen, was den Ruf der Unbezwingbarkeit des legendären Sultans schwer anschlug, besonders nach dem Fall von Akkon.
»Es war ein Kampf, der zur Legende werden wird, meine Königin«, schwor Richards Bote, als er ihr davon berichtete. »Der König marschierte immer entlang der Küste, weil so seine rechte Flanke durch das Meer und durch die Flotte, die uns begleitete, geschützt war. Gott sei gedankt für die Flotte! Saladin hatte nämlich alle Orte, in die wir kamen, vorher verwüsten lassen und die Felder verbrannt.
Ohne die Schiffe hätten wir keine Gelegenheit gehabt, uns je auszuruhen und Lebensmittel zu beschaffen.« Der Mann wischte sich mit der Hand über die Stirn.
»Die Ungläubigen, möge der Teufel sie holen, beschossen uns fortwährend mit Pfeil und Bogen. Sie sind viel leichter bewaffnet als wir, müßt Ihr wissen, und zu Pferd deswegen ungeheuer schnell. Aber wir hatten Befehl vom König, dicht beieinander zu bleiben und uns nicht zu einem Ausfall reizen zu lassen.«
Alienor war bekannt, daß hier der große Unterschied zwischen der moslemischen und der christlichen Kriegsführung lag. Die christlichen Ritter waren in ihren Rüstungen zwar viel besser geschützt und so gut wie unangreifbar, dafür aber sehr schwerfällig, während die Stärke der Moslems nicht im Nahkampf, sondern in ihren Reiterangriffen und dem Fernbeschuß lag. »Wurde so nicht ein Teil des Heeres ständig Angriffen ausgesetzt?« fragte sie.
Der Bote schüttelte den Kopf. »Der König wechselte die Fußsoldaten, die auf der Landseite marschierten, ständig aus. Als wir den Wald von Arsuf hinter uns gelassen hatten, war der Pfeilregen so dicht, daß wir die Sonne nicht mehr sehen konnten. Die Hospitaliter, die in der Nachhut ritten, baten ständig um die Erlaubnis zum Gegenangriff, die der König ihnen verweigerte, weil er meinte, man müßte erst warten, bis Saladins Reiterei erschöpft sei. Ganz ehrlich, ich kann schon verstehen, warum dann schließlich doch zwei von den Hospitalitern losgaloppierten, wir fühlten uns alle wie
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