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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Mäuse in der Falle, und es war so entsetzlich heiß.«
    Die schrecklichen Erinnerungen waren noch jetzt auf seinem Gesicht abzulesen.
    »Und dann?« fragte Alienor.
    »Der Rest der Hospitaliter ritt hinterher, aber der Großteil unseres Heeres war natürlich nicht darauf gefaßt, denn der König hatte das Signal noch nicht gegeben. Dies war für Saladin der günstigste Moment, um uns zu zerstreuen, doch der König schloß sich sofort seinen Rittern an. Oh, Euer Gnaden, es war ein glorreicher Sieg, und wir, die wir den König kämpfen sahen, gaben ihm danach einen neuen Namen.«
    Er hielt inne, nicht sicher, ob die Königin diesen Tribut als Lob oder als Respektlosigkeit auffassen würde. »Die Soldaten nennen ihn jetzt Coeur de Lion, meine Königin.«

    Der Herrscher über Ägypten und Syrien, al-Malik al Nasir Salah ed-Din Yusuf, den die Franken Saladin nannten, war ein von Freund und Feind hochgeachteter Mann, der für den Dschihad, den heiligen Krieg gegen die Christen, die zerstrittene muslimische Welt geeinigt hatte, und seinem Gegner Richard I. von England, dem er jetzt gegenübersaß, eigentlich sehr ähnlich. Beide waren hervorragende Feldherren, beide waren Förderer der Dichtkunst in ihrem Land, und beide hielten mit unbeirrbarer Entschlossenheit an ihrem Ziel fest. Miteinander Verhandlungen zu führen, war für sie vor allem eine nützliche Art, den Gegner kennenzulernen und Zeit verstreichen zu lassen, bis ihre Armeen sich erholt hatten, mehr nicht.
    Die Verhandlungen fanden in einem Zelt vor Jaffa statt, das in der Ebene nur zu dem Zweck aufgestellt worden war, die beiden Anführer und ihre Begleiter in sich aufzunehmen. Sie wären nie auf den Gedanken gekommen, sich gegenseitig eine Falle zu stellen oder sich gefangenzunehmen; das hätte den elementarsten Regeln sowohl der muslimischen Gastfreundschaft als auch der fränkischen Ritterlichkeit widersprochen. Saladin hatte die Ausstattung des Zeltes gestellt, und Richards Gefolge bewunderte heimlich die üppigen, weichen Teppiche und die kunstvoll geschmiedeten Damaszenerklingen, die Saladin als Gastgeschenk mitgebracht hatte. Richard war über die arabischen Sitten unterrichtet und hatte daran gedacht, sich ebenfalls mit Geschenken auszustatten.
    Saladin trug den bei seinesgleichen üblichen schwarzen Bart, einen seidenen Turban und ein orangenes, weitärmliges Gewand. Er musterte den König von England. Sie hatten bereits einleitende Floskeln ausgetauscht, doch es war im Orient nicht üblich, sofort auf den Kernpunkt der Verhandlungen zu kommen.
    »Wißt Ihr«, sagte Saladin langsam in der Sprache seines Feindes, die er ausgezeichnet beherrschte, »ich frage mich immer, was Euch Christen hierhertreibt, einmal abgesehen von Eurem Glauben. Ihr folgt Eurer Lehre und wir der unseren, doch wir führen den Dschihad in unserem Land, auf der Erde, die uns hervorgebracht hat. Ihr hingegen werdet regelmäßig in der Hitze krank, und überdies gefährdet Ihr durch Eure lange Abwesenheit Euer Eigentum, jeder von Euch, einfacher Soldat… oder König.«
    Richard lächelte. Er verstand sehr wohl, was Saladin herausfinden wollte, und antwortete in ähnlichen philosophischen Formulierungen:
    »Außer unserem Glauben, mein Fürst, bringt uns wohl hierher, was alle Krieger zu allen Zeiten anzieht - Ehre, Ruhm, Beute… und heißt es nicht auch, in schwierigen Zeiten und unter schwierigen Voraussetzungen bewährt sich ein Mann? Wo könnte er sich besser bewähren als in der reinigenden Glut der Wüste?«
    Saladin klatschte in die Hände, und einer seiner Leibwächter brachte ihm eine Schale mit Früchten, von denen er dem fränkischen König anbot; es war nicht nur eine Geste der Höflichkeit, sondern auch ein gezielter Hinweis darauf, daß das moslemische Heer unter keinerlei Versorgungsschwierigkeiten litt. Er ließ seinen Leibwächter vorkosten und beobachtete, wie Richard zwar erfreut, aber ohne jede verräterische Gier das erfrischende Obst zu sich nahm.
    »Ja, die Wüste«, erwiderte Saladin nachdenklich, »sie bietet allerdings Reinigung, was sowohl mein als auch Euer Prophet in ihr suchten. Aber sie bietet auch Illusionen, trügerische Luftgebilde - vor allem für Fremde. Fremde sind besonders anfällig dafür, hier unerfüllbaren Träumen nachzujagen.«
    »Glaubt Ihr das wirklich?« entgegnete Richard. »Als Ihr Euch daranmachtet, die zerstrittenen Emire der Moslems zu einigen, nannte man das damals nicht auch - ein trügerisches Luftgebilde?«
    Saladin hob die

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