Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
dunklen Augenbrauen. »In der Tat. Manche Träume werden Wahrheit, wenn sich nur der richtige Mann findet, um sie durchzusetzen.«
    Richards Begleiter begannen unruhig zu werden. Bis jetzt war noch kein einziges Wort zum Kriegsgeschehen gefallen, und sie verstanden dieses endlose Umherschweifen in Spekulationen nicht. Die Araber, die sich in Saladins Prunkzelt befanden, warfen ihnen spöttische Blicke zu. Fränkische Barbaren! Unterdessen verfolgten sie jedoch sehr interessiert das Gespräch ihres Herrschers mit dem Anführer der Franken, der anscheinend über den Verstand eines zivilisierten Menschen verfügte.
    »Aber um seinem Traum nachzujagen«, versetzte Saladin jetzt,
    »darf ein Mann in der Wüste kein schweres Gepäck mit sich führen.
    Es könnte sogar sein, daß er all sein Hab und Gut von sich werfen muß, um weitergehen zu können. Und was, mein Freund, wenn er dann feststellt, daß es sich dennoch nur um eine Illusion der Hitze gehandelt hat? Dann hätte er seinen Besitz und sich selbst verloren.«
    Richard verschränkte die Arme. »Ich bin lange genug hier«, erwiderte er gedehnt, »um zu wissen, daß Eure Karawanenreisenden, wenn sie beispielsweise durch Ägypten ziehen, viele Freunde in Oasen haben, die ihnen helfen, Kamele, die ihre Last tragen - und vor allem einen treuen Verwalter, der in ihrer Abwesenheit auf die Güter seines Herrn achtet.«
    Saladins Stimme sollte beiläufig klingen, als er erklärte: »Nun, ich kenne einen solchen Reisenden. Er hatte viele Feinde in seiner Heimat, unter anderem einen sehr nahen Verwandten, und sie alle warteten nur darauf, daß er seinen Besitz verließ. Überdies waren die Anführer seiner Karawane untereinander zerstritten.«
    Richard beugte sich vor. »Auch ich kenne diesen Reisenden, und Ihr habt vergessen zu erwähnen, daß er neben den Feinden auch einen Verwalter besaß, dessen Treue und Klugheit weder von seinen Feinden noch von seinen Freunden übertroffen werden konnten.«
    Interessiert fragte der Araber: »Ist das so? Ihr müßt wissen, ich hätte eigentlich geglaubt, daß solch ein Verwalter in dem Land, aus dem der Reisende kam, unmöglich sei. Wir, die wir über die Gläubigen herrschen, machen in der Regel Eunuchen zu unseren höchsten Wesiren und Beratern, denn sie können keine eigene Dynastie gründen. Ihr Franken jedoch…«
    Richard nahm sich noch eine der wohlschmeckenden Früchte.
    »Wir haben zwar keine Eunuchen, aber Priester, die ebenfalls kein Bedürfnis nach dem Thron haben können, und unser gemeinsamer Freund, der Reisende, hat überdies einen besonderen Verwalter durch das Blut an ihn gebunden, keinen Priester, keinen Mann, und doch fähig, sowohl Priester als auch Männer in Schach zu halten.«
    Saladin hüstelte. »Ich glaube, ich habe auch schon von diesem Verwalter gehört - sehr viel gehört.« Der Takt verbot ihm, mehr zu sagen.
    Wenn die Mutter seines Gegenübers dem christlichen Maßstab für Frauen nicht entsprach, so stellte sie für einen Moslem geradezu die Verletzung aller ethischen Normen dar. Der Koran legte fest, daß Frauen - im Unterschied etwa zu Kamelen - keine Seelen besaßen, und wenn sich eine Frau erdreistete, wie ein Mann zu herrschen, war dies wider alle Natur und Gesetze.
    Dennoch war Saladin in der Lage, das Außergewöhnliche zu würdigen, und so fuhr er fort: »Gut, angenommen es ist so, wie Ihr sagt, und der Verwalter unseres Reisenden hütet sorgfältig sein Eigentum, solange die Karawane unterwegs ist - schließt das aus, daß der Reisende auf seinem Weg umkommt? Niemand sollte sich allzu sicher sein. Ich selbst habe einmal meinen beiden Leibwächtern vertraut wie meinen eigenen Söhnen und habe etwas erlebt, was mich einmal mehr daran erinnert hat, daß man als Herrscher niemandem trauen darf - und den Tod immer gewärtigen muß.«
    Er klatschte abermals in die Hände, und ein ganz in Weiß gekleideter Neger kniete vor ihm nieder und bot auf seinen riesigen schwarzen Händen einen goldenen, kugelförmigen Behälter dar. Saladin nahm ihn und klappte den Deckel zurück. Richard erblickte eine weiße, pulverartige Substanz.
    »Wir nennen es Haschisch«, erläuterte Saladin mit ausdruckslosem Gesicht. »Es war sehr schwer zu bekommen, denn es gibt in meinem Hoheitsgebiet einen Mann, den man als den Fürst allen Haschischs bezeichnen könnte. Er erhebt außerdem den unverschämten Anspruch, ein Imam zu sein, und ich habe schon einmal einen Feldzug gegen ihn geführt, um sein Nest in den Bergen zu

Weitere Kostenlose Bücher