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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sie, »sicher würde dich dein Gemahl für einige Monate gehen lassen, oder ihr könntet, so wie dein Vater, abwechselnd an zwei verschiedenen Orten residieren.«
    Alienor schluckte und starrte an ihm vorbei. »Hassen sie mich nicht mittlerweile«, ihre Stimme war tonlos und kaum zu vernehmen, »jetzt, wo ich - Königin bin ?«
    »Dich hassen? Nein, wie kommst du darauf?« Der Erzbischof war aufrichtig erstaunt.
    Alienor fühlte sich versucht, ihm von Poitiers zu erzählen, und daß sie außer den Gründen, mit denen sie Louis überredet hatte, noch einen weiteren in sich verborgen hielt: Sie hatte ihr Volk ebensosehr verletzen wollen, wie es sie verletzt hatte, denn kein Verrat schmerzt mehr als der von Menschen, die man liebt. Auch deswegen hatte sie die Einwohner von Poitiers wochenlang die schlimmsten Ängste ausstehen lassen, mit einer Rachsucht, die sie selbst erschreckte und die sie später um alles in der Welt vergessen wollte - wenn es ihr nur möglich gewesen wäre.
    Sie hätte dem Erzbischof jetzt davon erzählen können, und es wäre wie eine Beichte gewesen, doch sie entschied sich dagegen. Sie mußte selbst mit dem fertig werden, was sie in ihrem Inneren entfesselt hatte, so wie sie die Konsequenzen in der äußeren Welt tragen mußte. Diese Bürden einem anderen aufzuladen, wäre Schwäche gewesen, und sie wollte sich zumindest nicht auch noch selbst verachten müssen.

    Ihr kam ein Einfall, und impulsiv fragte sie: »Sind wirklich alle großen Äbte des Königreichs hier?« Der Erzbischof nickte verblüfft.
    »Ach Vater«, sagte sie bittend, »könntet Ihr mich dann mit Bernhard von Clairvaux bekannt machen? «
    Mit einem kleinen Augenzwinkern fügte sie hinzu: »Ich bin noch nie einem Heiligen vorgestellt worden!«

    Bernhard von Clairvaux glich, wie es hieß, Johannes dem Täufer: Ein wilder Blick, der seine Zuhörer bannte, ein wuchernder Bart, eine mächtige Stimme und ein ausgemergelter Körper kennzeichneten ihn. Er war ein kompromißloser Asket, der nur auf nacktem Stein und bloßer Erde schlief, der sich weigerte, auch nur die geringste weltliche Habe zu besitzen, der die Prunksucht der Kirche anprangerte und sich nicht scheute, sich mit den Herrschern dieser Erde anzulegen.
    Er war auch ein Fanatiker, der erbittert gegen Rationalisten und Skeptiker wie seinen großen Gegner Abélard ankämpfte, dem er ›Hochmut des Verstandes‹ vorwarf, der jedes Anzeichen von Fleischlichkeit für eine Versuchung des Teufels hielt und ohne Erbarmen für die schwerste Bestrafung von Ehebrechern focht.
    Und endlich war er ein Mystiker, der sich nur nach der Vereinigung mit Gott sehnte und seinen lebenden Körper, der ihm diese Vereinigung noch verweigerte, unablässig dafür bestrafte.
    Das war der Mann, dem an dem Tag der großen Versöhnung Louis’ VII mit der Kirche die Frau begegnete, die in allem sein Gegenteil war: Alienor von Aquitanien.
    Sie kniete nieder und ließ sich von der mageren alten Hand seg-nen. Als sie sich erhob und ihn ansah, glaubte er einen Moment lang, die Welt sei zurückgekehrt an ihren Ursprung, und alles wiederhole sich noch einmal - hier war der alte Teufel selbst, in dem leuchtenden Rot seines Geschlechts und mit dem gottlosen Blick, der ihm das Schwert an die Kehle setzte und über den Tod seine Scherze trieb.
    Guillaume IX hatte nie erfahren, wie nahe Bernhard damals in Poitiers daran gewesen war zu schweigen…
    Doch er hatte der Versuchung widerstanden, und jetzt musterte er die Enkelin des Mannes, der gewiß längst in der Hölle schmorte, mit strenger Miene. »Was wünscht Ihr?«
    Er gebrauchte weder Titel noch irgendeine Anrede, und Alienors Mundwinkel zuckten. Das war beinahe eine Wohltat nach dem ständigen ›meine Königin‹ und ›Euer Gnaden‹, mit dem man sie seit Jahren überhäufte, und auch ehrlicher, als wenn er sie ›meine Tochter‹
    genannt hätte.
    »Ich will mit Euch Frieden schließen, Vater«, erwiderte sie und betonte ihrerseits das ›Vater‹ - er mußte innerlich Qualen leiden, von einem Mitglied der herzoglichen Familie so angesprochen zu werden. »Seid nicht länger mein Feind, ich bitte Euch.«
    »Ich bin keines Menschen Feind«, entgegnete er empört. »Ihr seid es, die Zwietracht und Krieg im Land gesät habt!« Alienor senkte die Wimpern und beugte das Haupt, ein Inbild der Demut. »Ich bereue es sehr, Vater, glaubt mir. Ich sehe meine Sünden vor mir und weiß, nur Ihr könnt mir helfen, indem Ihr für mich betet.«
    Bernhard schwieg.

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