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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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abzusprechen, war Alienor, wie auf dem Kreuzzug üblich geworden, dabei. Aber diesmal wirkte ihre Anwesenheit anders als bei früheren Strategiebesprechungen; sie wirkte in ihrem grünblauen Kleid aus orientalischer Seide auf verwirrende Weise und überwältigend weiblich. Die Spannung im Raum war für Louis kaum mehr erträglich.
    »Ich schlage vor«, sagte Raymond und breitete eine Karte vor ihnen aus, »wir vereinigen unsere Kräfte und versuchen Edessa zurückzuerobern. Die Gelegenheit ist günstig, denn Zenghi ist tot, von seinen eigenen Soldaten ermordet, und sein Sohn Nureddin hat die Nachfolge noch nicht fest in der Hand. Außerdem brachte gestern ein Segler die Nachricht, daß es Konrad von Hohenstaufen doch gelungen ist, den Rest seines Heeres zusammenzuraffen, und daß er seinen Kreuzzug fortsetzen möchte.«
    Er machte eine kurze Pause. »Das deutsche Heer mag nicht mehr sehr umfangreich sein, aber die Überraschung, den Kaiser und den König von Frankreich vor seinen Toren zu haben, könnte für die Überrumpelung Nureddins entscheidend sein.« Beifälliges Gemurmel wurde laut. Raymond blickte zu Louis.
    »Was meint Ihr?«
    »Ich meine«, sagte Louis kalt, »daß ich gelobt habe, nach Jerusalem zu ziehen, und daß ich beabsichtige, dieses Gelübde zu halten - vor irgendwelchen Eroberungen.« Ihren entgeisterten Gesichtern nach zu schließen, hätte er ebensogut einen Stein durch ein Kirchenfenster werfen können.
    Sein Onkel, Graf de Maurienne, sagte entsetzt, alle Förmlichkeit vergessend: »Jesus, Louis, der Fall von Edessa war doch der Grund für den ganzen Kreuzzug!«
    Raoul de Vermandois fiel ein: »Jerusalem ist weder belagert noch besetzt, doch mit Edessa halten die Ungläubigen das ganze Grenzland in Schach und können jederzeit in Antiochien einfallen oder in eines der anderen christlichen Fürstentümer und…«
    Jetzt sprachen mehrere Männer gleichzeitig. Raymond gebot Schweigen, und Louis beobachtete erzürnt, wie ihm ohne Umstände gehorcht wurde.
    »Cousin«, sagte der Aquitanier dann ruhig, »ich achte Euer Gelübde, doch mir scheint, Ihr versteht mich nicht. Die Eroberung von Edessa ist von entscheidender Bedeutung für Euer Anliegen.«
    »Ihr meint«, entgegnete Louis starrsinnig, »sie ist von entscheidender Bedeutung für Euch.«
    Raymond blieb gelassen. »Selbstverständlich ist sie das, doch allein schon als Christ solltet Ihr nicht wünschen, daß die Ungläubigen eine so große Bedrohung bleiben können. Außerdem, wenn wir Nureddin die Zeit geben, um seine Leute wieder in den Griff zu bekommen, begnügt er sich bestimmt nicht mit Edessa, sondern greift von dort aus auch noch Damaskus an, und dann hat er nicht nur das Grenzland, sondern ganz Syrien in der Hand. Wollt Ihr es dazu kommen lassen?«
    Louis starrte ihn an. Ein Muskel zuckte an seinem Kinn. »Ihr sprecht da nur von Möglichkeiten, aber darf ich Euch daran erinnern, daß immer noch ich der Anführer dieses Kreuzzugs bin, vom Heiligen Vater selbst beauftragt?«
    »Niemand bestreitet das«, begann Raymond, »aber…«
    »Louis«, unterbrach Alienor, die bisher geschwiegen hatte, »laß mich dich auch an etwas erinnern. Raymond lebt seit vielen Jahren hier, er kann die Lage besser beurteilen als jeder andere, aber man braucht nicht die geringste militärische Erfahrung, um zu begreifen, daß eine Pilgerfahrt nach Jerusalem vor der Eroberung Edessas vollkommen überflüssig wäre, ja auf gefährliche Weise dumm.«
    Louis’ Gesicht färbte sich dunkelrot. Wie konnte sie es wagen, ihn vor aller Ohren fast unverschleiert als Dummkopf zu bezeichnen?
    »Alienor«, sagte er erzürnt, »ziehe dich sofort in deine Gemächer zurück.«
    Alienor stand auf. »Das werde ich, mein Gemahl, aber vorher laß mich dir versichern, daß ich sogar länger hier bleiben werde, als du annimmst. Wenn du weiter auf dieser unglaublichen Torheit beharrst, werde nicht nur ich, sondern mit mir all meine Vasallen in Antiochien bleiben, und du kannst allein nach Jerusalem pilgern!«
    Louis fragte sich, ob der Teufel in sie gefahren war. Völlig außer sich stieß er seinen Stuhl um und schrie: »Deine Vasallen können bleiben, wo sie wollen, sie haben uns auf diesem Feldzug ohnehin nur Ärger bereitet, aber du…«
    »Wie kannst du es wagen, meine Vasallen zu beschuldigen, und dein eigener Oheim sitzt hier, der genauso…«
    »Aber du«, übertönte Louis sie, ging zu ihr und packte sie bei den Händen, »kommst mit mir!«
    Raymond versuchte

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