Die Löwin von Aquitanien
es fertiggebracht, sich in Nantes bei einem Turnier umbringen zu lassen. »Zumindest starb er als Herzog«, sagte Henry zynisch zu Alienor. Sie gaben beide nicht vor, um Geoff zu trauern; es wäre blanke Heuchelei gewesen und zudem sinnlos, da niemand in der Nähe war, den man damit beeindrucken konnte.
»Wir müssen uns die Bretagne sichern«, entgegnete Alienor deswegen nachdenklich, »bevor sie Louis jemand anderem als Lehen verleiht. Mit der Bretagne bist du dann Herrscher über die gesamte Atlantikküste.«
»Ganz einfach«, meinte Henry sorglos, »meine Truppen stehen ohnehin dort, und ich werde Louis sagen, daß ich mich als Erbe meines lieben Bruders betrachte. Notfalls gibt es noch einige Vorfahren, die als bretonische Herzöge herhalten können.«
Ein Knappe kam herein und meldete die Ankunft des Kanzlers.
Henry sprang auf. »Verdammt, das wurde auch Zeit - der Schuft hat mir absichtlich keine Nachricht aus Paris über den Stand der Verhandlungen zukommen lassen, ich möchte wetten, nur, um mich auf die Folter zu spannen.« Er eilte hinaus.
Alienor blieb sitzen. So unzerstörbar ihre Gesundheit auch war, ihre Schwangerschaft war nun so weit fortgeschritten, daß sie leicht ermüdete. Schon wenig später kam Henry Arm in Arm mit seinem Freund in die kleine Halle zurück und verkündete triumphierend: »Er hat es geschafft, Alienor! Louis hat eingewilligt, seine kleine Marguerite mit unserem Henry zu verloben.«
Alienor schloß einen Moment lang die Augen. Sie hatten es beide erwartet, doch war noch genügend Unsicherheit dabeigewesen. Die Verlobung ihres Sohnes mit Louis’ jüngster Tochter bedeutete nicht nur ein Bündnis mit Frankreich, sondern auch, daß diese beiden Kinder einmal über die vereinigten Königreiche herrschen konnten England und Frankreich. Dagegen würde das Heilige Römische Reich verblassen. Mit echter Freude lächelte sie Thomas Becket zu.
»Das sind in der Tat großartige Neuigkeiten. Ich hoffe«, sie konnte es nicht unterlassen, den Kanzler ein wenig zu necken, »Euer Stand als Geistlicher läßt eine Siegesfeier heute Abend zu?«
Henry grinste. »In der Tat, Thomas, ich glaube, das stellt uns vor ernsthafte Schwierigkeiten. Wie können wir dich zu Schlemmereien verleiten, wo du doch fasten sollst?«
»Ich habe auch dafür eine Lösung«, parierte Becket mit seiner gewohnten Geistesgegenwart. »Wie wäre es, wenn ich Euch statt dessen zum Fasten verleite?« Die Halle war von dem Gelächter der drei gefüllt, übermütig und selbstsicher.
Im Herbst brachte Alienor ihren vierten Sohn zur Welt, der nach Henrys Vater Geoffrey genannt wurde. Doch während dank der Verlobung des kleinen Henry mit Marguerite auf dem Festland der Frieden für einige Zeit gesichert zu sein schien, begannen sich in dem englischen Teil des Reiches Schwierigkeiten bemerkbar zu machen.
Seit dem Eroberer waren kirchliche und weltliche Gerichtsbarkeit getrennt, und jeder Geistliche konnte für sich beanspruchen, vor ein Kirchengericht gestellt zu werden, ganz gleich, was er getan hatte.
Da aber eigentlich jeder Schreiber mit einigen Lateinkenntnissen sich als Geistlicher bezeichnete, konnte ein Großteil der Bevölkerung von diesem Anspruch Gebrauch machen. Darüber hinaus waren die Kirchengerichte auch befugt, in ›Gewissensfällen‹ zu entscheiden, ganz gleich, wer der Übeltäter war. »Und was, bitte, ist kein Gewissensfall?« fragte Henry mehr als einmal ärgerlich. »Wenn man davon ausgeht, daß Zeugen möglicherweise Meineide schwören, kann man schlichtweg alles zum Gewissensfall erklären!«
Daher pochte der Klerus, der sich von den unruhigen Zeiten unter König Stephen erholt hatte, mehr und mehr auf seine Rechte, beanspruchte fast alle Prozesse für sich und so auch fast alle Bußgelder.
Der Erzbischof von Canterbury war als oberster Kirchenfürst im Lande der eifrigste Verfechter jener Ansprüche, und zwischen ihm und Henry kam es mehr als einmal zu erhitzten Auseinandersetzungen. Keine der beiden Seiten wollte nachgeben, um so mehr, da Henry dringend mehr Geld zur Unterstützung seines neuesten Plans brauchte.
Er hatte nämlich beschlossen, endlich gegenüber Toulouse seine Ansprüche geltend zu machen, seit Jahrzehnten der wunde Punkt der Herzöge von Aquitanien. Seit der Heirat von Alienors Großvater mit Felipa trugen sie rechtmäßig den Titel der Grafen von Toulouse, doch hatte sich inzwischen ein Cousin aus einer Seitenlinie zum Grafen erklärt, und die seit jeher rebellische
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