Die Loewin von Mogador
dabei spielte. Also, raus mit der Sprache!“
Comstock räusperte sich. „In Mogador wurde
die Queen immer nur halb beladen. Nachdem sie ausgelaufen war, nahm sie nicht
direkt Kurs auf den amerikanischen Zielhafen, sondern segelte südwärts bis zum
Kap Juby. Dort haben wir die Schwarzen an Bord genommen und später in der
Karibik verkauft. Im Logbuch wurden Stürme, Flauten, Nebel oder Ähnliches als
Gründe für Kursabweichungen und zeitliche Verzögerungen eingetragen.“
„Und dabei hat die ganze Mannschaft
mitgemacht?“, fragte Sibylla angewidert.
„Die Offiziere wurden bestochen, den
einfachen Matrosen drohte Brown, dass man sie auf dem Meer über Bord werfen
würde, wenn sie nicht mitmachten. Von diesen Männern haben dann einige gemeutert.
Sie wollten ihren Anteil vom Sklavenhandel.“
„Und Sie, Comstock? Haben Sie auch einen
Anteil bekommen?“
Er senkte den Kopf. „Ich schwöre bei Gott,
ich hätte nichts genommen, wenn ich es nicht für meine Frau gebraucht hätte.
Sie war so krank, und die Herren Doktoren sind fürwahr räudige
Halsabschneider.“
Sie kaute auf ihrer Unterlippe und überdachte
seine Worte. Schließlich sagte sie: „Wenigstens waren Sie jetzt offen und
ehrlich. Außerdem haben Sie während der Meuterei Ihre Treue zur Reederei
bewiesen. Deshalb will ich nie wieder eine Silbe über den
verabscheuungswürdigen Sklavenhandel verlieren – vorausgesetzt, Sie stehen von
nun an verlässlich zu Spencer & Sohn.“ Sie musterte Comstock eindringlich.
Dieser sprang auf und verbeugte sich tief.
„Danke, Mrs. Hopkins! Das ist sehr großzügig von Ihnen, Mrs. Hopkins!“
„Gut.“ Sibylla erhob sich ebenfalls und
begleitete ihn zur Tür. „Segeln Sie heim nach London, und unterrichten Sie
meinen Vater von den Geschehnissen, aber lassen Sie den Namen meines Mannes heraus!“
Kapitel
neunzehn - Qasr el Bahia, Ende Juni 1840
„Du bekommst Besuch, André!“ Udad bin Aziki,
Scheich der Chiadma-Berber, schirmte mit einer Hand seine Augen gegen die Sonne
ab und spähte nach Osten.
„Wer kann das sein?“ André wischte sich mit
dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Es war fast Mittag, und die Sonne
brannte auf das schattenlose Flachdach des linken Wachturmes von Qasr el Bahia.
Seit dem frühen Morgen waren er und Udads Söhne damit beschäftigt, die Löcher
im Flachdach mit Palmblättern zu bedecken. Gerade strichen sie eine zähe Masse
aus Lehm, Sand, Stroh und Tierkot auf, die bin Aziki angemischt hatte. Wenn der
Lehm trocken war, würde er das Innere des Wachturmes trotz Sonnenhitze kühl
halten, die gespeicherte Wärme aber in den Nächten freigeben.
„Ich sehe nur eine Staubwolke“, verkündete
bin Aziki. „Sie ist nicht schnell, aber groß.“
„Wenigstens scheinen es nicht die Ait Zelten
zu sein“, meinte André, der die Staubwolke ebenfalls beobachtete. „Aber wir
sollten das Tor schließen.“
Seit André sich auf Qasr el Bahia
niedergelassen hatte, schlichen immer wieder Männer der Ait Zelten um das
Anwesen. Sie kamen nie ganz nahe, aber sie beäugten das Treiben auf dem
ehemaligen Landsitz des Sultans sowohl misstrauisch als auch neugierig. Ihr Scheich
hatte sich noch nicht bei André eingefunden, aber seine Leute führten immer
noch ihre Herden über sein Gelände. Der Winter und das Frühjahr waren sehr
trocken gewesen, so dass die tiefen Weidegründe die Herden schon jetzt nicht
mehr ernährten. Da André wusste, dass die Berber abhängig von dem waren, was
das karge Land ihnen gab, und ihre Ziegen und Schafe neben ihren Pferden ihren
wertvollsten Besitz darstellten, ließ er sie gewähren und hoffte, dass ihr
Scheich sich beizeiten an seine Großzügigkeit erinnern würde.
Nachdem André die beiden schweren Torflügel
geschlossen und mit einem Querbalken von innen verriegelt hatte, stieg er wieder
auf den Wachturm.
„Beim Bart des Propheten!“, murmelte bin
Aziki neben ihm, als die ersten Reiter zu erkennen waren. „Ist das ein
Festzug?“
André legte ebenfalls eine Hand über die
Augen und stutzte. „Ganz vorn reitet der Leibeunuch des Sultans. Was auch immer
er will, wir können das Tor wieder öffnen. Von Feradge haben wir nichts zu
befürchten!“
Eine halbe Stunde später füllten Pferde,
Maultiere, Kamele, Esel und Menschen den Innenhof von Qasr el Bahia. Feradge
stieg von seinem Maultier und begrüßte André. Sein schwarzes Gesicht glänzte
von Schweiß, seine Brokatrobe war staubbedeckt. Trotzdem strahlte er den
feierlichen Ernst
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