Die Loewin von Mogador
Brief an ihren Vater schreiben, aber ihre
Gedanken wanderten immer wieder zu ihrem Treffen mit Kaid Hash Hash am
Nachmittag zurück. Er ließ sich erst herab, mit ihr zu sprechen, nachdem sie
ihm hatte bestellen lassen, dass sie etwas besaß, das er suchte. Natürlich
hatte er gewusst, was sie meinte, und wie hatte er getobt, als sie sich
geweigert hatte, ihm das Versteck von Benjamins Schatz zu verraten! Aber als
sie ihm ihren Vorschlag unterbreitet hatte, war er verstummt, besonders als er
hörte, dass sie das ganze Geld – unglaubliche 16625 englische Gold-Sovereigns –
für den Wiederaufbau Mogadors stiften wollte und nur eine Bedingung stellte:
Der Kaid persönlich müsste in der Stadt verkünden, dass Benjamin Hopkins stets
ein unbescholtener Kaufmann gewesen wäre, der nie etwas mit Sklavenhandel zu
tun gehabt hatte.
„Warum haben Sie das Geld nicht einfach
behalten, Mrs. Hopkins?“, hatte er gefragt, als sie sich verabschiedete.
„Weil ich es jemandem geben möchte, der es
wirklich braucht“, hatte sie André zitiert und hinzugefügt: „Und niemand
braucht es jetzt mehr als die Bürger von Mogador.“
Und es war ein großartiges Gefühl gewesen,
dachte sie mit leisem Triumph, den Respekt im Raubvogelgesicht des Statthalters
zu lesen!
Sibylla tauchte die Feder ins Tintenglas und
wendete sich wieder dem Brief zu. Sie wollte ihren Eltern von der Bombardierung
Mogadors schreiben und auch, dass Benjamin dabei den Tod gefunden hatte. Außerdem wollte sie ihrem Vater vorschlagen,
dass sie die Geschäfte von Spencer & Sohn in Mogador dauerhaft
weiterführte. Nur von ihrem Fund unter der Sonnenuhr würde sie nicht berichten.
Es klopfte an der Tür.
„Ja bitte!“, rief Sibylla. Nadira trat ein:
„Der Kapitän vom Segelschiff der Queen Charlotte ist da, Herrin. Er will
dringend den Herrn sprechen. Ich habe ihm gesagt, dass der Herr tot ist. Da
wollte er mit Ihnen reden.“
„Wo ist er?“ Sibylla schoss wie von der
Tarantel gestochen von ihrem Stuhl. Brown, endlich! Sie hatte viele Monate
gewartet, jetzt konnte sie ihn mit seiner Rolle im Sklavenhandel konfrontieren.
„Ich habe ihn in das alte Büro des Herrn
geführt.“
„Danke, Nadira!“ Sibylla rannte die wenigen
Meter über die Galerie. Doch in der Tür zu Benjamins Büro blieb sie verdutzt
stehen. Der rothaarige bärtige Mann dort drinnen trug zwar die Kapitänsuniform
der Reederei Spencer & Sohn, aber es handelte sich nicht um Nathaniel
Brown.
Als der Fremde Sibylla sah, riss er sich den
Zweispitz vom Kopf und verbeugte sich ungeschickt. „Mein tief empfundenes
Beileid, Mrs. Hopkins. Im Hafen habe ich von Mr. Hopkins Tod gehört. Ich bin
William Comstock, Steuermann und vorläufiger Kapitän der Queen Charlotte.“
Sibylla wies auf den Diwan und setzte sich
selbst auf einen Stuhl. „Wieso vorläufiger Kapitän? Was ist mit Brown passiert?“
„Er ist tot, Mrs. Hopkins. Umgebracht bei
einer Meuterei an Bord.“
Sie war entsetzt. Meuterei stellte ein
schweres Verbrechen dar, das mit dem Tod durch den Strang geahndet wurde.
„Erzählen Sie mir alles ganz genau!“, verlangte sie.
Comstock berichtete, dass sie bereits auf dem
offenen Atlantik gewesen wären, als ein Teil der Mannschaft gemeutert hätte.
Brown, alle Offiziere und der erste Maat, der versucht hatte, den Anführer zu
überwältigen, waren umgebracht worden. Doch dann war Zwietracht unter den
Meuterern ausgebrochen, und der Anführer hatte mehrere seiner Kumpane am
Großmast hängen lassen.
„Das war unser Glück, Mrs. Hopkins. Mir und
einigen anderen Getreuen gelang es, den Anführer und die restlichen Schurken zu
überwältigen und zu töten. Und jetzt sind wir hier, wir waren nämlich ein gutes
Stück vom Kurs abgekommen, und Mogador war der nächste erreichbare Hafen.“
Sibylla brauchte einen Moment, um den Schock
zu verdauen. Das einzig Gute an dieser Meuterei war, dass der Schurke Nathaniel
Brown zur Hölle gefahren war!
Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust und
musterte Comstock. „Sie haben tapfer gehandelt, Comstock, aber eines würde mich
noch interessieren: Wie wurden ohne Wissen meines Vaters so viele Sklaven auf
der Queen Charlotte transportiert?“
Der Mann erbleichte. „Ich verstehe nicht,
Madam… was meinen Sie?“
„Verkaufen Sie mich nicht für dumm! Ich weiß,
dass auf der Queen Charlotte heimlich Schwarze transportiert wurden, und das
nicht nur ein Mal!“ Sie schluckte und fügte hinzu: „Und ich weiß auch, welche
Rolle mein Mann
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