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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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richtig, was wir
hier tun. Richtig und gut!
     
    Die Sonne hatte sich über die Häuser von
Mogador geschoben und wärmte den Sand, auf dem sie lagen. Sibylla hatte sich
eng an André geschmiegt und murmelte schläfrig: „Jetzt habe ich wirklich
gespürt, wie es sich anfühlt, geliebt zu werden.“
    Er küsste ihr Haar. „Je t’aime, Sibylla. Ich
bin froh, dass ich dir das jetzt sagen darf.“
    Sie hob den Kopf aus seiner Armbeuge und sah
ihn an. „Ich möchte dich etwas fragen, André.“
    „Ja?“
    Sie dachte an Benjamins Goldschatz, den sie
notdürftig in ihrem Zimmer unter den Dielen versteckt hatte. „Was würdest du
tun, wenn du unerwartet etwas sehr Wertvolles bekommst, das du aber nicht
behalten kannst und willst.“
    Er erwiderte besorgt: „Ich hoffe, du redest
nicht von uns und von dem, was wir füreinander empfinden.“
    „Gewiss nicht!“
    „Wovon dann?“
    Sie zögerte. „Von etwas, das Benjamin mir
hinterlassen hat.“
    Er überlegte mit gerunzelter Stirn. „Wenn du
es nicht behalten willst, gib es jemandem, der es braucht.“
    Sie lächelte nachdenklich. „Warum nicht? Nein
wirklich, das klingt vernünftig.“
    Einige Minuten später löste sie sich behutsam
aus seinen Armen. „Ich muss gehen. Die Haha haben unser Haus auf den Kopf
gestellt. Es gibt dort jede Menge für mich zu tun.“
    André angelte nach seiner Jacke. „Ich werde
Mogador heute verlassen. Der Kaid braucht mich nicht mehr, und ehrlich gesagt
kann ich es nicht erwarten, das Land zu besichtigen, das der Sultan mir
geschenkt hat.“ Er band die Schärpe seiner Tunika zu. „Willst du mitkommen?
Vielleicht gefällt es dir dort so gut, dass du bleiben willst – mit deinen
Söhnen natürlich.“
    Sibylla errötete. „Sei mir nicht böse, aber
vorerst bleibe ich hier. Ich muss in Ruhe darüber nachdenken, wie ich mein
Leben ohne Benjamin weiterführe. Ich könnte mir vorstellen, die Geschäfte von
Spencer & Sohn dauerhaft zu übernehmen, wenn ich meinen Vater davon
überzeugen kann.“
    Ein wenig enttäuscht beugte André sich
hinunter, um seine Stiefel zu schnüren. „Dann reite ich allein. Ich weiß noch
nicht, wie viel Arbeit auf meinem Land wartet, aber ich würde dich gern ab und
zu besuchen.“
    Sie strahlte ihn an. „Das wäre wunderbar!“
     
    Qasr el Bahia im Atlasgebirge im Mai 1840
     
    André glitt aus dem Sattel, kniete sich auf
den Boden, nahm einen gelbbraunen Klumpen Erde in die Hand und zerbröselte ihn.
War dieses Land für seinen großen Traum vom Safran geeignet? Er ließ die Krümel
durch seine Finger rieseln.
    Das Geschenk Sultan Moulay Abd Er Rahmans lag
auf einem vierhundert Meter hohen Plateau in den Ausläufern des Atlasgebirges.
Hier wollte er die kleinen sandfarbenen Knollen des Crocus Sativus pflanzen,
aus dessen Blüten der Safran gewonnen wurde. In dieser Höhe bekamen die
Pflanzen noch ausreichend Wärme, ohne von der Wüstenhitze verbrannt zu werden.
Gleichzeitig war es nicht so hoch, dass die wertvollen Knollen im Winter in der
kalten Erde erfroren. Die Luft und der kalkhaltige Boden speicherten genügend
Feuchtigkeit, obwohl die Gegend trocken und regenarm war. Für Bewässerung war
ebenfalls gesorgt. Die Baumeister des Sultans hatten hier die gleichen
unterirdischen Rhetaras angelegt wie an der Karawanenstraße nach Marrakesch und
damit den prachtvollen Lustgarten bewässert, der hier einmal geblüht hatte.
Gegen den Wind würde er niedrige Schutzmauern aus Bruchsteinen bauen, die
verhinderten, dass die dünne Erdschicht davongeweht wurde. André stand auf,
setzte einen Fuß in den Steigbügel und schwang sich auf seine Stute.
    Ich werde es wagen, dachte er, während sein
Blick über die Hochfläche schweifte, und fühlte sich durch und durch glücklich.
    Voller Stolz war er vor einer Woche durch das
Tor der imposanten vierflügeligen Anlage – halb Palast, halb Festung –
geritten. Qasr el Bahia, Palast der Schönheit, hatte der Sultan seinen Besitz
genannt, und André hatte sofort verstanden, warum.
    Fast einen ganzen Tag war er geritten, dem
steinigen, in vielen Schleifen erst nach Osten und dann nach Süden führenden
Bett des Oued Igrounzar folgend, bis er auf den Zufluss des Oued Zeltenee
getroffen war. Dort lag Qasr el Bahia. André hatte das Anwesen schon von weitem
gesehen. Majestätisch thronte es auf der Anhöhe, die mächtigen Mauern rotgolden
in der Abendsonne leuchtend, während die Zedernwälder auf den Hügelketten
dahinter fast schwarz wirkten. Die trutzigen

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