Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
Vom Netzwerk:
ihre
makellosen weißen Zähne und das zarte Grübchen in ihrem Mundwinkel.
    „Doktor bin Abdul. Wie schön, dass Sie zurück
in Mogador sind!“, begrüßte Sibylla ihn freundlich.
    Mühsam riss er sich von Emilys Anblick los
und verneigte sich vor der Mutter seines Freundes. „Asalamu alaikum, Mrs.
Hopkins.“
    Emily begrüßte inzwischen ihre Brüder. Sie
schien voller Leben. Allein sie anzusehen, erfüllte Sabri mit Freude. Nachdem
sie Victoria umarmt hatte, wandte sie sich endlich ihm zu: „ Asalamu alaikum, Doktor bin Abdul.“
    Er verbeugte sich: „Miss Hopkins, sind Sie es
wirklich – die kleine Emily von früher?
    „Klein bin ich nun wirklich nicht mehr,
Doktor bin Abdul. Ich bin erwachsen“, erwiderte sie schelmisch.
    Er nickte ernsthaft. „Wahrhaftig, Miss
Hopkins! Sie sind eine junge Dame geworden und schöner als alle Sterne am
Firmament.“
    Ihre Koketterie war von einer Sekunde zur
anderen wie weggeblasen. Plötzlich verlegen, fehlten ihr die Worte. Sie schaute
Sabri an, als hätte er sie hypnotisiert.
    Sibylla entging nicht, dass der junge Araber
tiefen Eindruck auf ihre Tochter machte. Sabri war ein ehrenwerter junger Mann,
sein Vater eine hoch geachtete Persönlichkeit in Mogador . Aber was bedeutete es für Sabri und Emily,
wenn sie sich ineinander verliebten? Ein Muslim und eine Christin. Was würde
Emily erwarten, wenn sich zwischen ihr und Sabri dauerhafte Liebe und der
Wunsch nach einer gemeinsamen Zukunft entwickelte? Musste sie zum Islam übertreten?
Oder sogar ein Leben als rangniedere Konkubine führen?
    Sibylla hatte Emily zu einer selbständigen
jungen Frau erzogen. Ganz gewiss wollte sie nicht, dass ihre Tochter in einem
Harem versteckt wurde. Sie legte einen Arm um Emily. „Es wird Zeit, nach Hause
zu gehen, Liebes. Ma'asalama, Doktor bin Abdul. Bitte grüßen Sie Ihre verehrten
Eltern.“
    „Ma'asalama.“ Sabri verneigte sich zum
Abschied.
    Emily warf ihm einen letzten Blick zu. Ohne
es zu merken, entfuhr ihr ein leises Seufzen.

Kapitel
zweiundzwanzig - Mogador im Juli 1860
     
    „Wir werden nie eine neue Kinderfrau für
Charlotte und Selwyn bekommen! In diesem Land will niemand arbeiten, und wenn
wir noch so gut zahlen!“
    Victoria drückte die Tür zu Johns
Arbeitszimmer unsanft zu und warf einen Brief auf seinen Schreibtisch. Ihr Mann
sah irritiert von seinen Papieren auf.
    „Hier hast du es schwarz auf weiß: Großmutter
Mary schreibt, dass sich auf ihre Anzeige zwanzig Gouvernanten mit
hervorragenden Referenzen vorgestellt haben, aber wenn sie hörten, dass die Stellung
in einem afrikanischen Land angetreten werden soll, haben sie ihr eine Absage
erteilt!“
    John wollte sich auf ein wichtiges Gespräch
mit dem Hafenmeister, dem Statthalter und Konsul Willshire vorbereiten und
dabei nicht gestört werden. Er wusste ja, dass Victoria in Mogador nicht
glücklich war, doch das schob er darauf, dass sie sich noch nicht richtig
eingelebt hatte. Seit die Gouvernante der Zwillinge Hals über Kopf gekündigt
hatte und zurück nach England gereist war, genügte der geringste Anlass, damit
sie sich maßlos aufregte.
    „Bitte beruhige dich!“, bat er so beherrscht
wie möglich. „Nadira kümmert sich doch hervorragend um die Kinder. Und meine
Mutter unterstützt dich nach Kräften.“
    „Dir mag es ja genügen, dass eine Schwarze
unsere Kinder großzieht“, fauchte Victoria. „Aber willst du auch, dass sie
Mauren aus ihnen macht? Heute Morgen ertappte ich sie dabei, wie sie Charlotte
gezeigt hat, wie man hierzulande betet! Ich will eine englische Kinderfrau,
John, eine, die weiß, was sich gehört, und die unsere Kinder zu Engländern
erzieht!“
    „Nun übertreibst du aber! Nadira hat mich und
meine Geschwister ebenfalls großgezogen, und sind wir wie Araber geworden?“
    „Sie bringt den Kindern gottloses heidnisches
Verhalten bei!“
    „Das halte ich für völlig übertrieben!“ John
hätte den Klagebrief seiner Stiefgroßmutter, der hier für so viel Wirbel
sorgte, am liebsten in den Papierkorb befördert, aber er legte ihn mit
scheinbarem Gleichmut beiseite, packte seine Unterlagen zusammen und schob sie
in eine lederne Mappe. „Ich muss das Thema leider beenden, Liebes. Ich habe
gleich einen wichtigen Termin.“ Bis zu der Besprechung waren noch zwei Stunden
Zeit, aber er würde sich im Kontor der Reederei am Hafen vorbereiten, wo er
wenigstens seine Ruhe hatte.
    Victoria sank mit einem Aufschluchzen auf das
Sofa an der Wand. „Für mich ist das Thema

Weitere Kostenlose Bücher