Die Loewin von Mogador
sie. „Asselama ouletsma,
willkommen, Schwester!“, sagte sie leise in ihrer Berbersprache und wechselte
dann ins Arabische. „Ich habe mir immer eine Schwester gewünscht.“
Auch die Brüder umringten das neue
Familienmitglied. Christian war ein wenig schüchtern, Frédéric verkündete
großspurig, dass er nun auf dem nächsten Stammestreffen der Glaoua mit zwei
schönen Schwestern angeben könnte, und der Kleinste zupfte verstohlen an Emilys
Locken.
Tamra wackelte mit dem Kopf und grunzte. Es
fiel Emily schwer, zu unterscheiden, ob sie sie begrüßte, verfluchte oder ob
einfach nur das Alter sie gebrechlich gemacht hatte.
Aynur stand nun ebenfalls auf, ging auf Emily
zu und umarmte sie förmlich. „Willkommen auf Qasr el Bahia, Tochter meines Mannes! Seine Gäste sind auch
meine Gäste.“
Erst spät in der Nacht, als sie allein in
ihrem Schlafzimmer waren, konnte Aynur ihrem Mann sagen, was sie im tiefsten
Herzen fühlte. „Die Engliziya hat sich also ein Kind von dir machen lassen. Ich
habe geahnt, dass uns ein Unglück bevorsteht, seit Tamra es mir aus den
Flügelknochen einer Taube gelesen hat!“ Sie drehte André den Rücken zu, aber
sie betrachtete ihn prüfend in ihrem silbernen Wandspiegel, während sie etwas
von dem Arganöl, das er ihr aus Mogador mitgebracht hatte, in ihr Haar
massierte.
Er saß auf der Kante des Bettes und zog seine
Stiefel aus. Bei ihren Worten verzog sich sein Gesicht. Ärgerlich warf er die
Stiefel in eine Lücke zwischen zwei geschnitzten Kleidertruhen. „Wann wirst du
endlich aufhören, dem Unsinn dieser Hexe zu glauben! Im Übrigen erlaube ich
weder Tamra noch dir, Emily als Unglück zu bezeichnen!“
Nach einem ganzen Tag zu Pferde war er müde,
und das abergläubische Gerede der alten Dienerin und seiner Frau ging ihm
gewaltig auf die Nerven. Er sehnte sich nach Ruhe und danach, Aynur nach einer
Woche Abwesenheit endlich wieder in den Armen zu halten. In einem bodenlangen
Hemd aus fließender Seide sah sie sinnlich und verführerisch aus. Der
flackernde Schein einer Lampe malte die Linien ihrer Figur in Licht und
Schatten nach, ihre bronzefarbene Haut schimmerte. Als sie ihr langes schwarzes
Haar schüttelte, so dass die Spitzen die Rundung ihres Pos streiften, merkte
er, wie sein Verlangen sich regte.
„Komm her!“, raunte er ihr zu. „Der Tag war
lang und anstrengend. Lass uns morgen über alles sprechen.“
Aynur drehte sich um, aber sie blieb, wo sie
war. Ihre Augen glommen im Halbdunkel. „Warum hat die Engliziya dir das Kind
erst jetzt gegeben? Oder wolltest du es nicht haben?“
André unterdrückte ein Stöhnen. Aynur würde
keine Ruhe geben, bevor sie nicht wusste, was sie wissen wollte.
„Es ist alles sehr kompliziert, besonders für
Emily“, entgegnete er vorsichtig. „Ich habe sie mitgenommen, damit sie hier zur
Ruhe kommt.“
„Ich verstehe. Die Engliziya hat dir gezürnt,
nachdem sie mich auf Qasr el Bahia sah. Sie muss damals schon gewusst haben,
dass sie ein Kind erwartet. Ich hatte geglaubt, die Ausländerinnen wären
tugendhafter.“ Ein katzenhaftes Lächeln huschte über Aynurs Gesicht. „Du hast
ihre Liebe verraten. Deshalb verdienst du, dass sie dich ihren Zorn spüren
ließ. Ich würde dich auch meinen Zorn spüren lassen, wenn du meine Liebe
verrätst.“
Bevor André etwas erwidern konnte, blies sie
die Lampe aus. Dunkelheit breitete sich über den Raum. Er hörte das leise
Tappen ihrer nackten Füße. Als sie sich neben ihn setzte, streifte ihr Atem
seinen Hals. Sie duftete wie die Rosen, die in ihrem Garten am Haus wuchsen.
„Hat sie dein Bett geteilt, als du in Mogador
warst?“, flüsterte Aynur in sein Ohr.
In der langen Zeit ihres Zusammenseins
stellte sie ihm diese Frage zum ersten Mal, aber als er das Zittern in ihrer
Stimme bemerkte, wurde ihm klar, wie sehr sie sich all die Jahre mit der
Ungewissheit gequält haben musste. Er tastete nach ihrer Hand. „Dass ich Emily
mitgebracht habe, hat nichts mit Sibylla und mir zu tun. Es hat ausschließlich
mit Emily und mir zu tun.“
Sie zog ihre Hand zurück. „Du hast nicht auf
meine Frage geantwortet.“
„Ich habe nicht das Bett mit ihr geteilt, nie
mehr, nachdem du in mein Leben getreten bist!“, erwiderte er heftiger als
beabsichtigt. „Bist du jetzt zufrieden?“
Aynur beugte sich zu seinem Ohr. „Das hängt
davon ab…“
Er drehte sich zu ihr und zog sie in seine
Arme. „Mach dir keine Sorgen! Du bist die beste Gefährtin, die ich mir
vorstellen
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