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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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einen Verband aus
sauberem Leintuch um die Charpie wickelte.
    „Allah hilft mir, meine Schmerzen zu
erdulden“, erwiderte sie stolz. Thomas konnte nicht umhin, sie zu bewundern. In
London hatte er kräftige Arbeiter behandelt, gestandene Männer, die in den
Docks schufteten oder in Fabrikhallen gefährliche Maschinen bedienten, aber kaum
einer hatte seine Verletzungen mit dem Stolz und der Entschlossenheit dieser
kleinen zarten Frau ertragen.
    „Wasser, Seife und Tücher stehen bereit.“
Sibylla stand in der offenen Tür zum Schlafzimmer. Ihr Blick flog durch den
Raum. Blitzschnell erfasste sie Möbel, Spiegel, Leuchter und schließlich das
breite von Seiden- und Brokatkissen bedeckte Bett. Doch ihr Gesicht gab nicht
preis, was sie beim Anblick des Ortes fühlte, an dem der Mann, den sie liebte,
unzählige Stunden mit der anderen Frau in seinem Leben verbracht hatte.
    Ruhig und höflich grüßte sie Aynur: „Guten
Abend, Madame Rouston. Ich hoffe, mein Sohn kümmert sich gut um Sie.“
    „Er ist ein untadeliger Hakim“, erwiderte
Aynur mit gleichfalls unbewegter Miene.
    Sekundenlang musterten die beiden Frauen
sich. Dann wandte Sibylla sich zum Gehen. „Ich wünsche Ihnen eine angenehme
Nacht, Madame.“

Kapitel
neunundzwanzig
     
    „Hakim, bitte, du musst helfen! Mein Sohn
sehr verletzt!“ Der Ait Zelten-Mann zupfte am Ärmel des jungen Arztes. Sein
Arabisch war holprig, seine Stimme rauh von Sorge.
    Sabri blickte von der tiefen Schnittwunde an
der Wade einer Frau auf, die er gerade mit einem Katzendarmfaden vernäht hatte,
und rückte seine Brille gerade. Längst war auf Qasr el Bahia die Nacht
hereingebrochen und es war empfindlich kühl auf dem Hof geworden. Aber das
spürte Sabri genauso wenig wie seine Erschöpfung. Er arbeitete unermüdlich,
auch als Thomas aus dem Haus gekommen war, um ihn zu unterstützen. Emily wich
nicht von Sabris Seite. Sie reichte ihm die Instrumente, die er benötigte,
holte frisches Wasser und saubere Tücher und betätigte sich als Übersetzerin
zwischen Sabri und den Ait Zelten.
    Bei ihrer panischen Flucht vor den Angreifern
hatten sich viele Leute verletzt, doch zum Glück nicht schwer. Es gab
hauptsächlich Prellungen, blaue Flecken, Beulen, Schnittwunden und verrenkte
Glieder. Die Menschen hatten stundenlang bei dem großen Feuer angestanden, das
Frédéric und Christian mitten im Hof entfacht hatten, sich an den Flammen
gewärmt und geduldig gewartet, dass der arabische und der ausländische Hakim
Zeit für sie fanden.
    „Was für eine Verletzung hat dein Sohn?“,
erkundigte Sabri sich, während er der Frau bereits den Verband anlegte, aber
der Mann zeigte zu den Zelten und wiederholte drängend: „Bitte mitkommen,
Hakim! Dort.“
    “Begleiten Sie mich, Miss Emily, obwohl es
schon so spät ist? Ich fürchte, ich werde Ihre Hilfe beim Übersetzen brauchen.“
    „Natürlich!“
    „Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen
kann.“ Er nahm seine Arzttasche vom Boden, und sie eilten dem Ait Zelten-Mann
zu einem der niedrigen Zelte aus Ziegenhaar hinterher.
    Emily kroch hinter Sabri und dem Mann ins
Innere. Hier war es warm, es roch nach Menschen und Rauch. Neben einem kleinen
Feuer lag ein Junge, höchstens acht oder zehn Jahre alt. Vor dem Überfall hatte
Emily ihn oft auf den Safranfeldern gesehen, ein fröhlicher frecher Bengel, der
mit André junior die kleinen Mädchen geärgert hatte. Doch jetzt lag er mit
verweintem Gesicht unter seiner Decke, den rechten Arm weit abgespreizt, und
wimmerte vor Schmerzen. Seine Mutter kauerte mit hilflosem Gesichtsausdruck neben
ihm und streichelte sein Haar. Sie begrüßte Sabri mit einem Redeschwall, der
abwechselnd besorgt und wütend klang.
    „Der Junge ist gestürzt, als er vor den
Eindringlingen geflohen ist“, übersetzte Emily und unterschlug die zahlreichen
Verwünschungen, die die Frau gegen die Angreifer ausgestoßen hatte. „Dabei ist
er gefallen und kann seither die Hand nicht mehr bewegen, sein Arm ist immer
mehr angeschwollen.“
    Sabri lächelte dem Kleinen aufmunternd zu und
kniete sich neben ihn, aber als er seinen Arm vorsichtig berühren wollte,
heulte der Junge laut auf.
    „Es sieht tatsächlich aus, als sei der Arm
gebrochen“, stellte Sabri fest. „Aber es wäre gut, wenn ich ihn richtig
untersuchen könnte.“
    Ich würde mich auch wehren, wenn so viele
Erwachsene um mich herumständen und ich noch dazu große Schmerzen hätte, dachte
Emily. „Können Sie ihm nicht etwas zur Beruhigung

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