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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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geben?“
    Sabri überlegte. „Ich habe weder Äther noch
Chloroform zur Verfügung und bin auch nicht sehr erfahren in der Dosierung von
Narkosemitteln.“ Plötzlich hellte seine Miene sich auf. „Aber ich könnte dem
Kleinen etwas stark verdünntes Laudanum geben, damit er die Behandlung
verschläft.“
    Als Sabri sich dem Jungen jedoch mit dem
Becher näherte, kniff dieser die Lippen zusammen und drehte den Kopf zur Seite.
    „Darf ich es einmal versuchen?“ Emily nahm
den Becher und hockte sich neben dem Kind auf den Boden. „Warum lässt du den
Hakim nicht helfen?“, fragte sie auf Tachelit. „Mit dem Saft, den er für dich
gemischt hat, kann er deine Schmerzen wegzaubern.“
    „Ist der Hakim denn ein Asahhar?“, fragte der
Junge halb misstrauisch, halb interessiert.
    „Genau“, nickte Emily, „er ist ein Zauberer.“
Langsam streckte sie die Hand mit dem Becher aus. „All deine Freunde werden
dich bewundern, weil du so tapfer bist.“
    „Sie waren fantastisch!“, rief Sabri aus, als
der Junge wenig später eingenickt war. Emily errötete vor Freude und war froh,
dass er das im Halbdunkel des Zeltes nicht bemerkte.
    Er wandte sich wieder dem Jungen zu und
tastete vorsichtig den Arm ab. „Ein glatter Durchbruch der Speiche. Das kommt
häufig bei dieser Art von Stürzen vor. Ich muss den Knochen einrichten und
einen festen Verband anlegen, der den Arm ruhigstellt. Können Sie mir
assistieren, Miss Emily?“
    „Was muss ich tun?“, gab sie argwöhnisch
zurück.
    „Im Moment liegen beide Teile des gebrochenen
Knochens nebeneinander. Sie müssen aber aufeinander ausgerichtet werden, damit
die Bruchstellen wieder zusammenwachsen können. Dafür werde ich den Arm am
unteren Ende in die Länge ziehen. Sie müssen am Oberarm gegenhalten. Es ist
wichtig, dass Sie dabei Ihre ganze Kraft einsetzen, damit die Bruchstellen
genau ineinanderpassen. Und haben Sie keine Angst, dem Jungen wehzutun! Er
merkt davon nichts.“
    „In Ordnung“, stimmte Emily zu, obwohl ihr
etwas flau im Magen war. Aber sie tat genau, was Sabri ihr sagte, und bald
hatte er die Knochen mit wenigen ruhigen Handgriffen gerade gerichtet.
    „Nun lege ich den Kompressionsverband an,
damit der Arm gerade zusammenwächst. Können Sie mir aus der Kiste unter dem
Scheunendach Pappe und ein mit Spreu gefülltes Kissen bringen? Ich werde
inzwischen den Kleister anrühren.“
    Als Emily zurückkehrte, hatte Sabri bereits
eine klebrige Masse in einer Schüssel vorbereitet. Neben ihm lagen mehrere
Blechdosen, Charpie und Leinenbinden.
    Emily spähte in die Schüssel. „Das sieht aus
wie Zuckerguss.“
    „Es ist Gummi Arabicum mit Dextrin, einer
Stärkemischung, die richtig schön klebt. Bitte rühren Sie die Masse durch,
damit sie sämig wird, während ich die erste Lage Verband anlege.“ Sabri reichte
ihr einen Holzlöffel.
    Während sie eifrig rührte, beobachtete sie,
wie Sabri das Spreukissen unter den gebrochenen Arm des Jungen schob. Er
schraubte eine Dose auf, in der sich Talg befand, und schmierte eine dünne
Schicht auf den Arm des Verletzten.
    „Das hält die Haut gesund und schützt vor
Juckreiz. Während ich den Arm bandagiere, reißen Sie bitte die Pappe in
Streifen und feuchten sie an, aber nicht zu viel!“, wies er sie an. Mit wenigen
geschickten Griffen legte er den Verband an, bestrich ihn mit Kleister und schiente
ihn dann mit den Pappestreifen.
    Die Eltern verfolgten jede seiner
Handbewegungen mit ängstlich besorgten Mienen. Die Mutter strich ihrem
friedlich schlafenden Kind immer wieder über das zerzauste schwarze Haar.
    „Fertig“, verkündete Sabri, nachdem er eine
weitere Schicht Verband und Pappe angelegt hatte. „Das Ganze muss ein bis zwei
Tage trocknen. Während dieser Zeit soll der Kleine den Arm ruhig halten“,
erklärte er den Eltern, während Emily übersetzte. „Dann kann der Knochen unter
seinem Schutzpanzer heilen, und in sechs Wochen hat euer Sohn wieder einen
gesunden Arm.“
    „Rabbi Akkisellem! Vielen Dank, Doktor!“ Der
Vater umarmte Sabri glücklich.
    „Das war der letzte Patient“, sagte Sabri,
während er neben Emily zum Haus ging. Im Lager der Ait Zelten war es still, die
meisten Leute schliefen in ihren Zelten. Emily blieb neben dem niedergebrannten
Feuer in der Mitte des Hofes stehen. „Sie sind ein großartiger Arzt, Doktor bin
Abdul. Die Menschen haben Vertrauen zu Ihnen. Auch ich würde mich ohne Bedenken
in Ihre Hände begeben, wenn ich krank würde.“
    Von den Bergen wehte ein

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