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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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suchten nach dem Griff der Schublade. Als sie
daran zog, knarrte das Holz. Sie erstarrte, aber Benjamin schien nichts gehört
zu haben, er sonnte sich in seinem Triumph.
    „16625 englische Gold-Sovereigns will ich von
dir! Nicht einen Penny weniger. Und du kannst dich glücklich schätzen, wenn ich
dir nicht noch Zinsen berechne. Leih dir das Geld bei den Toledanos oder einem der anderen Juden der Stadt! Du
hast bis morgen früh Zeit.“
    Die Schublade stand jetzt eine Handbreit offen. Behutsam ließ Sibylla die Rechte
hineingleiten, bis ihre Finger das kalte Metall der Waffe berührten.
    „Warum nur bis morgen früh?“, fragte sie, um
ihn abzulenken.
    „Weil dann mein Schiff ausläuft.“
    „Dein Schiff?“ Vor Überraschung hätte sie
fast den Revolvergriff losgelassen.
    „Wenn alles nach Plan gelaufen wäre, wäre ich
schon längst wieder weg. Nur weil du mein Gold den nichtsnutzigen Mauren
geschenkt hast, hänge ich hier fest. Immerhin habe ich während meiner Wartezeit
interessante Neuigkeiten erfahren.“ Er wiegte spöttisch den Kopf. „Ts, ts, ts,
Sibylla, wer hätte gedacht, dass du so lüstern sein kannst! Lässt dir von dem
Franzosen ein Balg andrehen und verkaufst es den Leuten als mein Kind! Da
staunst du, nicht wahr, Sibylla?“ Er weidete sich an ihrem entsetzten
Gesichtsausdruck. „Ich habe mich ein wenig umgehört, wollte erfahren, was du
mit meinem Gold angestellt hast, und für ein paar Dirham erzählen die Leute dir
mehr, als du dir träumen lässt. Zum Beispiel, dass Rouston Ärger mit ein paar
Berbern hat, weil er sich auf ihrem Land breitmacht. Für ein paar Gewehre und
Munition waren sie gern bereit, sein Gut zu überfallen und dein Balg zu
erschießen. Du verstehst doch, dass ich nicht dulden kann, dass du es als mein
Kind ausgibst, während ganz Mogador vom Kaid bis zum Bettler vor der Stadtmauer
darüber lacht, wie meine Frau mir Hörner aufgesetzt hat!“ Er lachte
selbstgefällig. So lange hatte er auf seine Rache gewartet, hatte sie sich
tausendmal vorgestellt, aber die Wirklichkeit war süßer als jede Phantasie.
    „Du steckst hinter dem Überfall auf Qasr el Bahia?“, stammelte Sibylla. „Du hast
Mörder beauftragt, um meine Tochter zu erschießen? Nein, das kann nicht sein!
Dazu bist du nicht fähig!“
    Er zuckte nicht mit der Wimper. „Du bist
selbst schuld. Hättest du mein Gold unter der Sonnenuhr gelassen, wäre ich
abgereist, ohne von deinen Eskapaden zu erfahren. Nun ja, ich will dich nicht
länger aufhalten, dir bleibt nicht mehr viel Zeit, um mein Geld zu beschaffen.
Und trauere nicht zu sehr um das Kind. Es war nur ein Bastard!“ Er deutete eine
Verbeugung an und wandte sich zum Gehen.
    „Bleib stehen!“ Sibyllas Stimme peitschte
durch den Raum. Überrascht drehte Benjamin sich um und blickte in einen
Revolverlauf. Der Hahn der Waffe klickte, als Sibylla sie entsicherte. Doch
bevor sie feuern konnte, hechtete er mit einem Satz vorwärts. Sie stolperte,
prallte mit dem Rücken gegen das Pult, und der Revolver entglitt ihrer Hand. Es
knallte ohrenbetäubend, als er auf den Boden fiel und der Schuss losging, Holz
splitterte, als die Kugel ins Pult krachte. Dann knallte es wieder, die Tür
flog auf, und Emily stürmte herein. Sibylla wollte sich nach dem Revolver
bücken, aber der Schmerz im Rücken machte sie fast bewegungsunfähig. Benjamin
war schneller, packte die Waffe und richtete den rauchenden Lauf auf Emily.
    „Lauf!“, keuchte Sibylla, obwohl der Schmerz
ihr fast den Atem nahm. „Hol Hilfe, schnell!“
    Aber Emily stand da wie erstarrt. Sie sah nur
ihre Mutter, die sich mit verzerrtem Gesicht krümmte, so als hätte der Schuss
sie getroffen. „Mummy!“, schrie sie, da hatte Benjamin sie schon mit der freien
Hand am Haar gepackt und zurückgerissen, so dass sie auf die Knie fiel.
    „Mummy?“ Er beugte sich über sie und starrte
ihr ins Gesicht. „Du bist gar nicht tot? Wen zum Teufel haben diese Nichtsnutze
dann erschossen?“
    Emily wand sich. „Hil…!“, brüllte sie, aber
er verpasste ihr mit der Waffe einen Schlag in den Nacken, und sie sackte mit
einem Stöhnen zusammen.
    „Bitte, Benjamin!“, flehte Sibylla. „Ich tue
alles. Alles, was du willst, aber tu ihr nichts!“
    Er drehte sich um, ohne Emily loszulassen,
und grinste sie an. „Alle Muselmänner sind in der Moschee und beten. Niemand
wird euch helfen.“
    Einen Moment lang herrschte Stille. Sibylla
rang um Worte. Dann rasten unter ihnen mehrere Paar Stiefel über den
Steinboden.

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