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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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Kaninchenragout andrehen!“ Dann ging er ebenfalls, um ihr
Gepäck in die Herbergskammer zu bringen.
    Die Berberfrauen beschäftigten Sibylla noch
eine ganze Weile. Sie fragte Nadira, was sie über die Stämme wusste, die die
ländliche Bevölkerung Marokkos bildeten. Aber Nadira hatte immer in der Stadt
gelebt und war Berbern höchstens begegnet, wenn sie auf dem Souk Feldfrüchte
und Schafwolle verkauften. Sie konnte auch den Dialekt der Chiadma nicht
verstehen.
    Als die Nacht hereinbrach, trafen noch mehr
von ihnen ein. Sie waren jung und schön. In ihr langes schwarzes Haar hatten
sie Gold- und Silbermünzen geflochten, um die Hüften trugen sie Gürtel, die aus
noch mehr Münzen und bunten Bändern bestanden, und ihre Handgelenke zierten
schwere silberne Reifen. Einige Frauen setzten sich in einem Halbkreis hin und
begannen, zu singen und rhythmisch zu klatschen. Die anderen tanzten auf eine
Art dazu, wie Sibylla sie noch nie gesehen hatte. Mit nackten Füßen stampften
sie auf der Erde auf, ihre Hüften vibrierten, und ihre Arme bewegten sich wie
Schlangen. Die Flammen des niederbrennenden Feuers spiegelten sich in ihren
schwarz geschminkten Augen und ließen ihre Haut leuchten wie Bronze. Sibylla
konnte den Blick nicht abwenden und war froh, dass die Dunkelheit ihre
glühenden Wangen verbarg. Aufreizend waren diese Tänze, ein anderes Wort fand
Sibylla nicht dafür, doch zugleich erregend und schön.
    Anderen schien es ebenso zu gehen. „Como las
gitanas, wie Zigeunerinnen“, flüsterte einer der spanischen Kaufleute und
schnalzte leise mit der Zunge.
    Sara Willshire rümpfte die Nase. „Schamlos!“,
murmelte sie. „Einfach schamlos! Komm, William, wir wollen uns zur Ruhe
begeben.“ Sie stand auf und raffte dabei ihre Röcke an sich, als wollte sie
vermeiden, mit etwas Schmutzigem in Berührung zu kommen. Ihr Mann seufzte
leise. Offensichtlich fiel es ihm nicht leicht, sich von der Vorführung
loszureißen. Aber er folgte seiner Gattin gehorsam. Benjamin konnte die Augen
ebenfalls nicht abwenden. Sibylla beobachtete, wie er in einer Gruppe
europäischer Kaufleute stand und die Tänzerinnen mit halboffenem Mund angaffte.
Es war ihr peinlich, ihn so zu sehen. Gleichzeitig fühlte sie einen kleinen
Stich, da er sie in ihrer neun Monate währenden Ehe nicht ein Mal so begehrlich
angeschaut hatte. Sie erhob sich und drängte sich zu ihm durch: „Ich bin müde.“
    Er blickte sie an, als würde er sie gar nicht
richtig erkennen. „Dann geh doch schlafen!“, gab er zurück und wandte sich
wieder den aufreizenden Hüftbewegungen der Tänzerinnen zu.
    Sibylla wunderte sich nicht, dass er erst
spät in der Nacht kam. Wie ein Dieb schlich er sich in die kleine
Herbergskammer. Sie war wach, stellte sich jedoch schlafend. Sie fragte sich,
ob er einer dieser Tänzerinnen nähergekommen war, um Dinge zu tun, für die ein
Mann gewisse Frauen sonst bezahlte. Gleich darauf schämte sie sich. Wie konnte
sie diesen Frauen unterstellen, Liebesdienerinnen zu sein, nur weil sie für
europäische Augen aufreizend tanzten?
    Sie lauschte auf die leisen Geräusche, als
Benjamin die Jacke ablegte und die Stiefel aufschnürte. Wenig später rollte er
sich auf der schmalen harten Pritsche zusammen und zog sich die Decke bis über
die Ohren. Er fühlte sich zutiefst aufgewühlt. Er ahnte nicht, dass Sibylla
wach war. All seine Gedanken und Gefühle waren bei diesen fremdartigen
Tänzerinnen, die er so viel erregender fand als seine eigene Frau. Verstohlen,
wie von selbst wanderten seine Hände unter der Decke tiefer und massierten sein
hartes Glied, während er in seiner Phantasie von den schlangengleichen
Bewegungen der verführerischen jungen Chiadma träumte.
     
    Am Morgen war Sibylla schlecht. Das Baby in
ihrem Leib strampelte ohne Unterlass. Sie litt unter der Hitze, die drückender
wurde, je näher sie Marrakesch kamen. Ihr Rücken schmerzte, ihre Beine fühlten
sich wie gelähmt an. Benjamin musste sie stützen, als sie zur Mittagspause von
ihrem Maultier steigen wollte. Nicht einmal die Rast im Schatten einiger
Dattelpalmen erfrischte sie. Zum ersten Mal befürchtete sie, dass Sara
Willshire vielleicht recht gehabt hatte, als sie Sibyllas Reisewunsch als
unvernünftig bezeichnete. Als sie am Nachmittag weiterritten, konnte sie sich
kaum noch im Sattel ihres Maultiers halten. Der Scirocco, der Wüstenwind der
Sahara, nahm ihr fast den Atem. Roter Staub wirbelte unter den Hufen der Tiere
auf, so dass die Karawane in eine

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