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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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ihrer Herberge gesagt, wie leid es
ihr täte, aber er hatte ihr das Wort abgeschnitten und war aus dem Raum
gestürzt.
    In wenigen Wochen sind wir eine Familie. Aber
das Kind scheint uns einander nicht näher zu bringen, dachte Sibylla
niedergeschlagen.
    Sie hatte längst gemerkt, dass es ihr
leichter fiel als ihrem Mann, sich in diesem fremden Land mit seinen fremden
Sitten einzuleben. Er war so voller Ehrgeiz nach Marokko aufgebrochen, bereit,
seinem Schwiegervater zu beweisen, dass er es in einem fremden Land aus eigener
Kraft zu etwas bringen konnte. Sie wusste, dass er als Lohn für seine
Leistungen auf einen Posten in der Geschäftsleitung der Reederei hoffte. Aber
eine Enttäuschung folgte der anderen, erst mit Kaid Hash Hash, jetzt mit dem
Sultan.
    Vielleicht half sie Benjamin nicht genügend,
hier Fuß zu fassen. War das nicht ihre Pflicht als Ehefrau, ihrem Mann zur
Seite zu stehen und ihn zu unterstützen? Sie seufzte leise. Wenn sie ehrlich
war, verspürte sie keine große Lust, ihn zu unterstützen. Es machte ihr viel
mehr Spaß, selbst zu handeln, Waren zu kaufen, zu verkaufen und damit eigenes
Geld zu verdienen. Auf dem Souk von Marrakesch hatte sie mehrere Ballen Seide
erstanden, die sie einigen Händlern in London anbieten wollte. Benjamin wusste
davon noch nichts, und wenn er es erfuhr, würde er nicht begeistert sein, so
viel war ihr nach der jüngsten Auseinandersetzung klar.
    Wenn ich nicht will, dass die Kluft zwischen
meinem Mann und mir noch größer wird, sollte ich aufhören, Handel zu treiben,
dachte sie und merkte jetzt schon, wie schwer ihr das fallen würde. Nur dieses
eine Geschäft noch, nahm sie sich vor. Schließlich wäre es eine Sünde, viel
Geld für viele Ballen Seide auszugeben, nur damit sie in einem Lagerraum
herumlag, bis sie brüchig wurde. Dieses eine Geschäft bringe ich noch zu Ende.
Dann ist das Kind da, und wenn ich erst Mutter bin, habe ich ohnehin keine Zeit
mehr für Geschäfte!
    Mit einer entschlossenen Handbewegung
verscheuchte sie ein paar Fliegen, die aufdringlich summend um ihr Gesicht
schwirrten. In selben Moment durchfuhr sie ein stechender Schmerz.
    „Herrin? Ist Ihnen nicht gut?“ Nadira war
sofort an ihrer Seite.
    „Nein!“, keuchte sie und hielt sich den Leib.
„Hol den Herrn! Schnell!“

Kapitel
acht
     
    „Grämen Sie sich nicht, Senor Hopkins, auch
der Sultan – möge der Allmächtige ihm ewiges Leben schenken – weiß, dass man
einem Ochsen das Fell nicht zweimal abziehen kann.“ Samuel Toledano, der auf
seinem Esel neben Benjamin ritt, musterte ihn durch die runde Drahtbrille. „Glauben Sie mir, werter Senor Hopkins, gute
Geschäfte können Sie überall machen.“
    Benjamin blickte missmutig zu den Sklaven,
die in einem langen Zug hintereinanderher stolperten. „Auf Ihre Neger trifft
das wohl kaum zu“, knurrte er unfreundlich. „Ich wette, diese mageren Gestalten
bringen Ihnen auf dem Sklavenmarkt kaum etwas ein.“
    Der Kaufmann neigte das bärtige Haupt. „Sie
haben recht, Senor Hopkins. Der Erlös lohnt kaum die Gerstengrütze, mit der ich
sie mästen muss, bevor ich sie verkaufen kann“, äußerte er bekümmert.
    Dann blickte er sich um und trieb seinen Esel
dicht neben Benjamins Maultier. „Drüben in Amerika sind die Preise noch
anständig: Siebzig englische Pfund für einen gesunden Mann, fünfzig für eine
Frau. Aber leider habt ihr Engländer den Verkauf nach Übersee unterbunden.“
    „Wollen Sie mich veralbern, Mann? Das sind
doch Phantasiepreise!“ Benjamin parierte sein Maultier scharf durch und starrte
den Kaufmann ungläubig an. Sein Vater, der als Kassierer bei einer Bank keine
schlechte Stellung innehatte, verdiente gerade die doppelte Summe in einem
Jahr.
    „Ganz gewiss nicht, Senor Hopkins, und wenn
Sie erlauben …“, wieder sah Toledano sich nach allen Seiten um.
    In diesem Moment galoppierte Nadira auf ihrem
Esel heran.
    „Herr, Herr!“ Das Gesicht der Dienerin war
von Sorge verzerrt. „Kommen Sie! Die Herrin hat große Schmerzen.“
     
    „Au! Um Himmels willen!“ Sibylla schrie auf,
teils vor Schreck, teils vor Schmerz, ließ die Zügel ihres Maultiers fahren und
presste die Hände auf ihren Bauch. Nervös verfiel das Tier in einen
unregelmäßigen Trab. Sibylla stöhnte gequält. Jeder holprige Schritt fuhr ihr
wie ein Messerstich in den Leib. Sie sackte im Sattel zusammen und klammerte
sich blindlings an der Mähne des Maultiers fest.
    „Sibylla! Bei Gott, fallen Sie nicht
herunter!“ Sara

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