Die Loewin von Mogador
Rat.“
„Bei einem Franzosen!“, schnaubte Benjamin,
der Willshires Abneigung gegen alles Französische teilte. „Der Sultan hat wohl
noch nie von Abukir gehört, gar nicht zu reden von Waterloo! Sonst wüsste er,
dass die militärische Überlegenheit bei uns Briten liegt.“
Sibylla blickte wieder zu Rouston. Sie
schätzte ihn auf ungefähr dreißig, also ein paar Jahre älter als sie selbst.
Ruhig und selbstsicher saß er auf seiner nervös tänzelnden Stute und musterte
die Menge.
Was ist das für ein Mann, der lieber bei
einem Berberstamm lebt als mit den anderen Europäern hinter engen Stadtmauern,
überlegte sie. Hat er eine ihrer Frauen geheiratet und eine Familie mit ihr
gegründet?
Die Sonne bekommt mir nicht, dachte sie und
schüttelte über sich selbst den Kopf. Wie komme ich dazu, mir so ungehörige
Gedanken über einen Wildfremden zu machen?
In diesem Moment richtete Rouston den Blick
auf sie, sekundenlang hielten ihre Augen einander fest. Er lächelte unmerklich,
und Sibyllas Herz tat einen Sprung. Sie erschrak. Das war ihr bisher weder bei
Benjamin noch einem anderen Mann passiert! Was war nur in sie gefahren? Sie war
doch eine verheiratete Frau – und eine schwangere noch dazu! Rasch senkte sie
den Blick und rückte dichter an Benjamins Seite.
Der Übersetzer des Sultans hatte inzwischen
die Begrüßungsworte seines Herrn in den Sprachen der anwesenden Nationen
wiedergegeben: „Seine kaiserliche Majestät Abd Er Rahman, Souverän aller
Gläubigen, erneuert und bekräftigt feierlich das freundschaftliche Bündnis, das
seine Vorfahren mit den Herrschern der europäischen Länder geschlossen haben. Seine
kaiserliche Majestät wird alles in seiner Macht Stehende tun, um diese Allianz
mit der Hilfe Allahs zu vertiefen und zu erweitern!“
Auf ein Handzeichen Seiner Majestät traten
nacheinander die Generalkonsuln vor und antworteten mit wohlgesetzten Worten.
Nach der Rede von Generalkonsul Drummond-Hay näherte sich ein Eunuch mit
mehreren Sklaven, um die Geschenke für den Sultan in Empfang zu nehmen.
„Aber ich wollte Seiner Majestät die Büchse
persönlich übergeben!“, wehrte Benjamin sich, als der Eunuch erwartungsvoll
seine Arme ausstreckte. „So weiß ich weder, dass er sie wirklich bekommt, noch
weiß er, dass sie von mir ist!“
„Sie können sicher sein, dass Seine Majestät
genauestens über die Herkunft aller Geschenke unterrichtet ist“, erklärte
Konsul Willshire.
Aber Benjamin wollte dem Schwarzen, der ihn
abweisend anblickte, das Gewehr nicht aushändigen. Die Verzögerung erregte die
Aufmerksamkeit des Sultans, und Drummond-Hay sah sich gezwungen, ihm den Grund
zu erklären. Daraufhin folgte ein kurzer Wortwechsel mit dem Übersetzer, der
sagte: „Seine kaiserliche Majestät der Sultan gestattet dem Kaufmann Hopkins,
sein Geschenk seinem Lieblingseunuchen Feradge zu überreichen!“
Benjamin wechselte einen unsicheren Blick mit
Drummond-Hay, der ihm nachdrücklich zunickte. Daraufhin wickelte er die Büchse
aus ihrer schützenden Decke. Doch bevor er sie dem Eunuchen gab, hob er sie in
Richtung des Sultans. Ein Raunen ging durch die Soldaten, als das Sonnenlicht
in den Silberbeschlägen funkelte. Sogar Seine Majestät schaute interessiert.
Benjamin war zufrieden. Bestimmt würde der Sultan ihn für diese wertvolle Gabe
belohnen, vielleicht sogar mit dem Exportmonopol für Leder!
Während der Eunuch seinem Herrn die Büchse
überreichte und der Sultan die Verarbeitung prüfte, formulierte Benjamin im
Geiste, wie er sein Anliegen vortragen sollte. Von den freundschaftlichen
Beziehungen ihrer beiden Länder wollte er sprechen, von fruchtbaren Geschäften,
von steigenden Exporten und steigenden Gewinnen.
Doch niemand forderte ihn auf, zu sprechen.
Stattdessen begann der Übersetzer: „Seine kaiserliche Majestät Sultan Abd Er
Rahman dankt dem Kaufmann Hopkins für sein wertvolles Geschenk. Nur ein
Kaufmann, der über außerordentlichen Reichtum verfügt, kann außergewöhnliche
Geschenke machen. Seine Majestät würdigt diese Großzügigkeit. Doch trotzdem ist
das Herz Seiner Majestät betrübt, denn Sein bedauernswertes Volk leidet Hunger.
Nun aber kann Seine Majestät mit Hilfe des großzügigen Kaufmanns Hopkins die
Not seines Volkes lindern, indem er die Exportzölle um einen unbedeutenden
zehnten Teil anpassen wird. Einen Zehnt nur, wie ihn die Kirchen der
Ungläubigen erheben.“
„Was?!“, keuchte Benjamin. „Das ist der Dank?
Dass er mir die Zölle um
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