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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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Willshire trieb ihr Reittier neben das der Freundin und beugte
sich vor, um die Zügel zu packen. Vergeblich – das aufgeschreckte Tier
schleuderte den Kopf hin und her, so dass sie es immer wieder verfehlte.
    „Hilfe! Anhalten! Wir brauchen Hilfe!“,
schrie Sara.
    Der Schmerz in Sibyllas Bauch ebbte endlich
ab, so dass es ihr gelang, die Zügel zu fassen und das Tier durchzuparieren.
    „Was haben Sie denn?“, fragte Sara zutiefst
erschrocken.
    Sibylla schüttelte den Kopf. Sie war weiß im
Gesicht. „Ich hatte furchtbare Schmerzen im Bauch und im Rücken. Aber jetzt
lässt es nach.“
    „Das Kind! Es kommt!“, stellte Sara fest.
„Und das hier, mitten in der Wildnis!“ Sie bekreuzigte sich.
    „Unsinn!“, keuchte Sibylla immer noch
atemlos. „Es ist noch mehr als vier Wochen zu früh.“
    „Sie sollten in jedem Fall sofort
absteigen!“, riet eine Stimme mit deutlichem französischem Akzent hinter ihnen.
    Sara und Sibylla wandten gleichzeitig die
Köpfe und starrten Monsieur Rouston an. Er war noch in der Nähe gewesen, als er
die Schreie der beiden Frauen gehört hatte, und hatte sofort sein Pferd
gewendet. Jetzt sprang er von der braunen Stute, ging zu Sibyllas Maultier und
hielt es am Zügel fest.
    „Madame Hopkins, n’est-ce pas? Mein Name ist André Rouston.“ Seine Stimme
klang weich und beruhigend, trotzdem errötete sie.
    „Alors, Madame, haben Sie keine Angst! Ich
helfe Ihnen.“ Er streckte Sibylla eine Hand entgegen. Sie wollte sich in den
Steigbügeln aufstellen, als eine neue Schmerzwelle sie überrollte. Ihr Gesicht
verzerrte sich, hilflos schüttelte sie den Kopf.
    „Ganz ruhig, Madame!“, hörte sie Roustons
Stimme durch den Schmerz hindurch. „Geben Sie mir Ihre Hand. Ich halte Sie
fest.“
    Als die Krämpfe abebbten, nahm Sibylla die
dargebotene Hand. Roustons Haut war warm, von der Sonne gebräunt, und an der
Innenseite schwielig.
    In diesem Moment stampfte das Maultier nervös
mit den Vorderhufen, und sie fiel mit einem angstvollen Ausruf gegen Rouston.
Er schlang rasch einen Arm um sie und fing sie auf.
    „Ich werde Sie jetzt in den Schatten tragen,
Madame Hopkins. Sehen Sie die Palme dort mit den drei Stämmen, die nahe am Ufer
des ausgetrockneten Bachlaufs steht?“
    Sie nickte stumm und biss die Zähne vor
Schmerz zusammen. Er merkte es und fuhr fort: „Sie haben sich um das Wohl der
Schwarzen gesorgt und Ihr eigenes dabei vergessen.“
    „Aber glücklicherweise sind ja Sie, Monsieur
Rouston, immer zur rechten Zeit am rechten Ort. Egal ob geschundene Schwarze
Ihre Hilfe brauchen oder eine Frau, die in Not geraten ist“, erwiderte sie. Sie
bemerkte, wie schnippisch sie klang, und ärgerte sich. Eigentlich hatte sie ihm
zu verstehen geben wollen, wie sehr sie es schätzte, dass er ihr zu Hilfe
gekommen war.
    „Sie hat sich die Reise nach Mogador in den
Kopf gesetzt, obwohl ich ihr gesagt habe, wie unvernünftig das ist!“, vernahm
sie Sara Willshire. Sie war von ihrem Maultier gestiegen und lief mit besorgter
Miene neben dem Franzosen und Sibylla her.
    Sibylla schüttelte den Kopf. „Mir fehlt
nichts. Das hört wieder auf. Diese Schmerzen kommen und gehen schon die ganze
Zeit.“
    Sara legte eine Hand auf den Arm ihrer
Freundin. „Wie lange haben Sie die Beschwerden schon?“
    „Seit wir aus Marrakesch aufgebrochen sind“,
antwortete Sibylla leise. „Und davor auch schon ein bisschen, aber nicht so
stark.“
    „Und da sagen Sie nichts? In Marrakesch
hätten wir wenigstens Ärzte und Hebammen gehabt!“
    „In vier Wochen soll das Kind zur Welt
kommen? Habe ich das vorhin richtig gehört?“, fragte Rouston. Er trug Sibylla
sehr vorsichtig, als wäre sie eine Porzellanfigur, die auf keinen Fall Schaden
nehmen durfte. Sie fühlte sich sicher und geborgen in seinen Armen, und die
Schmerzen jagten ihr schon nicht mehr so viel Angst ein. Als sie die
dreistämmige Palme erreichten, kniete Rouston nieder und bettete sie behutsam
auf den harten Erdboden. Dabei achtete er darauf, dass sie ganz im Schatten des
ausladenden Baumes lag. Sibylla seufzte erleichtert. Hier war sogar die
Nachmittagshitze erträglicher. Der Franzose betrachtete sie nachdenklich.
    „Die Reise war vielleicht zu anstrengend. Ihr
Kind könnte früher kommen.“
    Die beiden Frauen sahen sich erschrocken an.
    „Nein! Nicht hier!“ Sibylla klang fast
flehend. Was für ein Alptraum, ohne Hilfe an dieser Karawanenstraße ein Kind
gebären zu müssen! Sie drehte den Kopf und blickte zu den gefesselten

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