Die Löwin
sein Vetter Rodolfo als Gefangener im Kerker saß und sich die Gunst seines Onkels wohl endgültig verscherzt hatte. Bei dem Gedanken an ihren Gefangenen kräuselte ein Lächeln Caterinas Lippen. Sie gönnte diesem unmöglichen Menschen die Wanzen und Ratten, in deren Gesellschaft er sich derzeit aufhalten musste. Am liebsten hätte sie ihn aufgesucht, um ihren Spott über ihn auszuschütten, aber das ließen ihre gesellschaftlichen Pflichten nicht zu.
Als nächster Gast erschien ein Vertreter der Stadt Arezzo, dann ein Mitglied der Familie Bentivoglio aus Bologna, das sich ebenfalls von Mailand bedroht sah, und ihnen folgten Herren aus Siena und einigen kleineren Orten, deren Namen sie noch nie gehört hatte. In einem schien Rodolfo d’Abbati Recht zu haben: es gab wirklich eine Unmenge mehr oder weniger selbständiger Herrschaftsgebiete in Italien. Während sie den Abgesandten lauschte und freundlich Rede und Antwort stand, fragte sie sich insgeheim, wie viele von diesen Leuten bereits im Sold des Visconti stehen mochten oder sich der Viper von Mailand heimlich unterworfen hatten.
Caterinas ehrliches Interesse an ihren Besuchern erwachte erst wieder, als ein Bote aus Pisa erschien. Iacopo Appiano hatte keinen hohen Herrn aus seiner Umgebung geschickt, sondern einen Diener in streng wirkender schwarzer Tracht, an der nur ein wenig Silber und Blau auf die Farben der Familie Appiano hinwies. Der Mann verbeugte sich geziert und überreichte ihr ein sorgfältig gesiegeltes Schreiben. »Signorina, erlaubt mir, Euch die Glückwünsche Messer Iacopos und ganz Pisas zu übermitteln! Ihr habt wahrlich Großes geleistet und diese Stadt hier vor der drückenden Herrschaft Mailands bewahrt.«
Die Einleitung klang genauso wie die Lobreden, die Caterina bereits über sich hatte ergehen lassen müssen. Dann aber senkte der Pisaner den Kopf. »Leider vermag ich nicht nur gute Botschaft zu bringen. Messer Vanni Appiano, der älteste Sohn unseres Capitano del Popolo und Vikar unserer Stadt, ist leider vor wenigen Tagen verstorben. Pisa wird seinen scharfen Verstand und seine feste Hand sehr vermissen.«
Die Nachricht traf Caterina hart. Zwar hatte sie bei ihrem Besuch in der Stadt keine Gelegenheit gefunden, mit Vanni Appiano zu sprechen, doch sein Vater war ein alter Mann, den der Tod seines Lieblingssohns dem Grab näher bringen konnte. Dann würde Gherardo Leonardo Appiano der neue Herr von Pisa werden, einer ihrer beiden Tischherren bei jenem missglückten Bankett und ebenso undeutend wie unbedarft. Sie zweifelte daran, dass es diesem Jüngling gelingen würde, Pisa gegen Mailand oder das ebenfalls begierige Florenz zu halten. Für sie selbst und die Eiserne Kompanie war die Lage in Pisa nicht zuletzt deshalb wichtig, weil sie offiziell noch immer in den Diensten dieser Stadt standen und von dort ihren Sold und das Geld erhielten, das sie für ihre Feldzüge benötigten.
Mit betroffener Miene senkte sie den Kopf und sprach ein kurzes Gebet für den Toten, bevor sie dem Boten Antwort gab. »Richtet Messer Iacopo mein aufrichtiges Beileid zum Tod seines Sohnes aus. Mögen die Engel des Herrn die Seele Messer Vannis ins Paradies geleiten und zur Rechten unseres Herrn Jesus Christus setzen.«
Noch während sie die Worte sprach, glaubte sie zu spüren, wie ihr der erst vor kurzem errungene Erfolg durch die Finger zu rinnen drohte. Die Eiserne Kompanie hatte sich bewährt, doch ihr Ruf war noch nicht so weit wiederhergestellt, dass eine große Stadt oder ein reicher Herr ihr eine Condotta antragen würde. Der Herzog von Molterossa hielt seine Geldtruhen geschlossen, und sie mochte sich nicht vorstellen, was geschehen würde, wenn sie ihren Männern den Sold kürzen musste.
Ich werde so bald wie möglich mit dem Herzog von Molterossa sprechen müssen, sagte sie sich und versuchte dabei die Entfernung abzuschätzen, die sie von dessen Ländchen trennte. Es war eine Reise von mehreren Tagen, und ebenso viele würde sie für die Rückkehr brauchen. Aber dieses Gespräch durfte nur sie allein führen, denn es gab niemand, auf den sie sich verlassen konnte. Als Neffe des Herzogs würde Amadeo alles tun, um diesem zu gefallen, und ihre deutschen Offiziere einschließlich Bothos waren einfachen Gemüts und würden sich von Arnoldo Caetani an der Nase herumführen lassen.
»Das darf nicht geschehen!« Ihre Worte erschreckten den nächsten Boten, ein Mitglied der Familie Este aus Ferrara, der ihr eben erklärt hatte, wie gerne er es
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