Die Löwin
alt und habe in dieser Zeit mehr gesehen als andere in drei Leben.« Appiano lachte kurz auf, begann aber sofort wieder röchelnd zu husten.
»Wasser!«, würgte er mühsam hervor und zeigte mit zitternden Fingern auf einen goldenen Becher, der auf einem Beistelltischchen stand.
Visconti nickte einem seiner Männer zu. Der ergriff den Becher und wollte ihn dem Kranken reichen, doch Appiano war zu schwach, um allein trinken zu können. Während der Gardist dem Alten das Gefäß an die Lippen hielt, vermochte Angelo Maria Visconti seine Ungeduld kaum noch zu zügeln.
»Ich soll Euch Grüße von meinem allererlauchtesten Vetter, Herzog Gian Galeazzo, überbringen, verbunden mit dem Wunsch, Euch bald wieder gesund zu sehen.«
»Ich danke Seiner Gnaden dem Herzog von Mailand.«
»Ihr sprecht von dem Herzog der Lombardei, Messer Iacopo. Seine Majestät der Kaiser hat meinem Verwandten den Herzogshut der Lombarden überreichen lassen.«
»Ein Herzogshut? Wie bescheiden! Gab es bei den Lombarden nicht einmal eine Königskrone mit einem eisernen Reifen?« Obwohl Appiano schwach und gebrechlich wirkte, vermochte er immer noch Gift zu verspritzen.
Visconti hielt es für besser, die Stichelei des alten Mannes zu überhören. »Ihr meint die Krone des Desiderio. Diese wurde schon vor langer Zeit zur Krone des Königreichs Italien erhöht und gilt nicht mehr als das Symbol der Lombardei.«
Der Kranke kicherte leise vor sich hin. »Ach so ist das! Aber nun zu Euch, Messer Angelo. Ihr seid doch gewiss nicht nur gekommen, um einen alten Mann zu besuchen, der mit einem Bein bereits im anderen Leben steht.«
Angelo Maria Visconti fühlte sich durch die direkte Art des Kranken überrumpelt. »Das ist richtig, Messer Iacopo. Von meinem allererlauchtesten Vetter wurde mir aufgetragen, Euch sein Missfallen zu übermitteln.«
»Missfallen? Aber weshalb denn?« Appiano lächelte bei diesen Worten so sanft, als könne er kein Wässerchen trüben.
»Wegen der Sache mit Rividello, die von einer Truppe durchgeführt wurde, die in Eurem Sold steht!«
Für einen Augenblick sah es so aus, als würde diese Anklage Appiano niederschmettern, dann aber blitzten die Augen des Alten auf. »Eure Worte kränken mich, Signore! Ich wollte die Compagnia Ferrea ganz in den Dienst Pisas stellen, doch gemäß dem Willen Eures allererlauchtesten Herzogs musste ich auf diesen Schritt verzichten. Ich konnte Monte Elde nur zum halben Sold als Hilfstruppe gegen Florenz verpflichten und musste ihm dafür das Zugeständnis machen, einen anderen Auftrag annehmen zu können, sobald Pisa nicht mehr durch Florenz bedroht sei. Da Mailand mir zu Seite sprang und die Gefahr von uns abwendete, sah die Erbin des Monte Elde sich ihrer Verpflichtungen mir gegenüber ledig und hat nach eigenem Ermessen gehandelt.«
Angelo Maria Visconti hätte den Greis am liebsten eigenhändig erwürgt, doch der Gedanke, in diesem Fall trotz seiner Leibwächter nicht ungeschoren aus diesem Haus kommen zu können, hinderte ihn ebenso daran wie die Angst vor der Reaktion seines Verwandten auf dem Mailänder Thron. Hatte der Tod Monte Eldes einige Söldnerhauptleute verschreckt, würde der Mord an einem scheinbar wohl gesinnten Stadtoberhaupt noch ganz anderen Ärger nach sich ziehen. Der Mailänder blickte auf den alten Mann hinab, der durch das bisherige Gespräch bereits über Gebühr erschöpft schien, und beschloss, die Beseitigung dieses Hindernisses der Natur zu überlassen. Appiano sah nicht so aus, als würde er die nächsten Wochen überleben, und sein Sohn Gherardo Leonardo würde auf die Hilfe Mailands angewiesen sein, wenn er die Macht in Pisa übernehmen wollte.
Halbwegs zufrieden mit der vorhersehbaren Entwicklung griff Visconti das Thema auf, das ihn zu dem Stadtherrn von Pisa geführt hatte. »Mein allererlauchtester Vetter hält es angesichts Eurer Krankheit und der nicht unberechtigten Sorge, Florenz könne den Tod Eures ältesten Sohnes und Eure Schwäche ausnützen, für geraten, die Mailänder Garnison in Pisa zu verstärken und Truppen in die hiesige Zitadelle zu verlegen. Der ehrenwerte Condottiere Henry Hawkwood wird in Kürze sein Lager bei Rovato verlassen und hierher kommen. Mein Verwandter, der Herzog, erwartet, dass Hawkwoods Söldner als Freunde empfangen werden.«
Viscontis Worte enthielten eine deutliche Drohung. Die bislang in Pisa stationierten Mailänder Truppen waren nicht stark genug, um die Stadt zu übernehmen, würden sich aber bis zur Ankunft
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