Die Löwin
Hawkwoods halten und diesem die Tore öffnen können. Hatte der Condottiere seine Söldner erst einmal in die Mauern von Pisa geführt, wäre der Fall der Zitadelle nur noch eine Frage der Zeit. »Ich hoffe, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt.«
Appiano spürte, wie die Angst ihn packte und ihm den Atem abschnürte. Für einige Augenblicke sehnte er sogar den Tod herbei, um das gnadenlose Spiel um Macht und Einfluss hinter sich lassen zu können. Er wusste jedoch, dass er seiner Schwäche um Pisas und um seines Sohnes willen nicht nachgeben durfte. Ging ihm die Herrschaft über die Stadt verloren, würde Gherardo Leonardo seinen Tod nicht lange überleben.
Er holte keuchend Luft, und es gelang ihm sogar, ein wenig zu lächeln. »Eure Worte waren deutlich genug, Signore! Herzog Gian Galeazzo duldet mich hier nur so lange, wie ich in seinem Sinne handle. Nun, dann wird mein Sohn eben Statthalter von seinen Gnaden. Man kann den Sturm nicht aufhalten, wisst Ihr? Da ist es besser …«
Appiano brach ab und blickte mit einem ersterbenden Blick zu Visconti auf. »Verzeiht einem alten, kranken Mann, Signore, doch ich spüre, wie mein Leben verrinnt. Bitte ruft meine Nichte, noch besser meinen Arzt, ich …« Sein Kopf fiel schwer auf das Kissen zurück, und sein Atem klang so röchelnd, als ginge es mit ihm zu Ende.
Visconti wich vor dem Kranken zurück, als hätte er Angst, sich die Seuche zu holen. Da er erreicht hatte, was er wollte, konnte er den Greis unbesorgt den Händen seiner Ärzte überlassen. »Kommt mit!«, befahl er seinen Männern und verließ das Zimmer.
Kaum war die Haustür hinter Angelo Maria Visconti und seinen Begleitern geschlossen worden, kam Leben in den Kranken. Er stemmte sich mit dem Oberkörper hoch und rief mit erstaunlich kräftiger Stimme nach seiner Betreuerin. Diese stürzte herein und wollte eben in eine wütende Anklage gegen das unverschämte Auftreten Angelo Maria Viscontis ausbrechen, der nicht einmal einem Todkranken seine Ruhe gönnte, als Appiano sie anfuhr: »Halt den Mund! Hol Gherardo … Nein, den erst später! Jetzt brauche ich …« Er dachte kurz nach und nannte einen Namen. Dabei verzog sich sein Gesicht zu einer spöttischen Grimasse.
»Die Viper von Mailand will unsere Stadt übernehmen, meine Gute! Wollen wir doch sehen, ob wir ihr das nicht vergällen können.«
4.
N achdem der Strom der Neugierigen und Gratulanten abgeebbt war, konnte Caterina sich einiger Verpflichtungen entledigen. In Rividello herrschte Ruhe, denn Fiocchi und Bassi waren zu der Überzeugung gekommen, dass keiner von ihnen stark genug war, über den anderen triumphieren zu können. Der Einzige, der ihren Seelenfrieden ständig störte, war Amadeo, dessen Kopf von zumeist unausführbaren Ideen schwirrte und der versuchte, sie zu unsinnigen Handlungen zu überreden. Wenn sie nicht auf seine Vorschläge einging, reagierte er wie ein beleidigter kleiner Junge, dem man das Spielzeug weggenommen hatte.
Auch an diesem Tag redete er voller Eifer auf sie ein. »Caterina, es ist unsere Pflicht, den Frieden in dieser Stadt zu erhalten. Begreifst du das denn nicht? Aus diesem Grund muss ich dem Vorschlag der beiden Signori Bassi und Fiocchi folgen und das Amt des Podesta annehmen. Aber dafür brauche ich die Kompanie! Ohne Heeresmacht im Rücken fällt diese Stadt dem Visconti wie eine reife Frucht in die Hände. Wenn aber Rividello zu dem Bündnis gehört, das mein Onkel geschmiedet hat, wird dies große Auswirkung auf die anderen freien Städte der Toskana, der Romagna und Umbriens haben. Man wird mit Freuden an unsere Seite eilen und der Viper von Mailand endlich geschlossen Widerstand leisten.«
Über dieses Problem hatte Caterina bereits mit Bianca gesprochen, und sie waren beide zu einem ganz anderen Schluss gekommen. Daher hieb sie mit der flachen Hand auf die Stuhllehne, um ihre Worte zu unterstreichen. »Rividello ist zu klein, um unsere Kompanie auf Dauer ernähren zu können. Der nächste Zahltag steht bevor und unsere Kasse ist beinahe leer. Wir können nicht länger auf die versprochenen Zuwendungen warten! Wenn Euer Oheim nicht bald die vereinbarten Summen schickt, werde ich den Kontrakt mit ihm als gelöst betrachten.«
Amadeo fuhr wütend auf. »Rividello hat doch früher auch die Kompanie deines Vaters bezahlen können. Warum sollte dies jetzt anders sein?«
»Aus dieser Stadt ist nur ein kleiner Teil der Soldsumme gekommen. Den Rest haben die päpstliche Kasse und einige
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