Die Löwin
Visconti von Mailand. Wenn es uns gelingt, diesen Mauern zu entkommen, brauchen wir nur wenige Meilen zu laufen, dann sind wir in Sicherheit.«
»Möge Gott uns die Kraft dafür geben!« Caterina hatte sich mühsam auf die Beine gekämpft und ein wenig aufgestampft, um wieder ein Gefühl in ihnen zu bekommen. Nun aber sank sie auf die Knie und sprach ein Gebet, in das Bianca einfiel. Sie wussten, dass sie die Hilfe der Madonna und aller Heiligen benötigen würden, um sich zu retten. Da sie tagelang ohne ausreichende Nahrung und mit beinahe ständig gefesselten Gliedern herumgeschleppt worden waren, fühlten sie sich so schwach und elend, dass sie glaubten, sich nicht einmal gegen ein Kind zur Wehr setzen zu können.
Als draußen auf dem Gang Schritte aufklangen, nickten sie einander zu. »Es geht los! Jetzt gilt es stark zu sein«, flüsterte Bianca.
Mit einem Seufzer, der eher erleichtert klang, schob Caterina die Hand mit dem Messer in eine Falte ihres Rocks und wartete angespannt auf das, was nun kommen mochte. Borelli und Ranuccio schienen sie noch einmal ängstigen zu wollen, denn sie blieben vor der Tür stehen und schilderten einander mit derben Ausdrücken, auf welche Arten sie ihre Gefangenen benutzen wollten. Doch die vielen Worte verfehlten ihren Zweck, die Freundinnen mit Furcht und Schrecken willfährig zu machen. Bianca fletschte die Zähne, und Caterina zählte stumm die Punkte am Körper eines Mannes auf, bei denen ihre Klinge tödlich wirken konnte.
»Das sind keine Menschen, sondern aus der Hölle entflohene Dämonen!«, stieß sie fast tonlos heraus.
Bianca kam zu keiner Antwort, denn in dem Augenblick wurde der Riegel geräuschvoll zurückgezogen. Die Tür schwang auf und für einen Augenblick behinderten die beiden Männer sich gegenseitig. Erst als Borelli Ranuccio anschrie, ließ dieser Caterinas Vetter den Vortritt. Er schwelgte in Vorfreude und verschwendete keinen Gedanken daran, sein Opfer könne ihm Schwierigkeiten machen.
Der einstige Räuberhauptmann griff sofort nach Bianca, krallte seine Finger in ihren Hintern und knetete ihn. Dabei presste er seinen Unterleib gegen ihren und keuchte wollüstig auf. »Spürst du, wie hart und groß er ist? Du wirst dich nicht beschweren müssen.«
Caterina spannte jeden Muskel an, denn sie erwartete, Borelli würde sie genauso behandeln. Ihr Vetter blieb jedoch zwei Schritte vor ihr stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und musterte sie von Kopf bis Fuß. »Du schaust so erwartungsvoll? Oh, ich werde dich schon aufspießen, bis du schreist. Aber vorher will ich dir noch etwas sagen, was meinen Triumph erst vollkommen macht. Ich war es nämlich, der deinen Vater und deinen Bruder umgebracht hat! Die Eiserne Kompanie hätte von da an mir gehören müssen. Das hast du mir mit deinem Auftauchen zunichte gemacht. Hast du wirklich geglaubt, ich würde mich wie einen räudigen Köter davonjagen lassen und dir dafür noch die Füße lecken? Ich habe nur auf eine Gelegenheit gewartet, es dir heimzahlen zu können – ganz langsam, damit du noch viel davon hast. Du wirst dir noch hundertmal wünschen, schneller sterben zu dürfen!« Bei den letzten Worten griff er an seine Hose, um die Riemen zu öffnen. Da er Caterina dabei nicht aus den Augen ließ, konnte sie ihn nicht so überraschen, wie sie gehofft hatte. Während sie den Arm mit dem Messer hochriss, griff er nach ihrer Hand, verfehlte sie aber, und die Klinge, die auf seine Kehle gezielt hatte, schnitt ihm das Gesicht von der Stirn bis zum Kinn auf.
Vom eigenen Blut geblendet ließ Borelli seine Arme ziellos durch die Luft wirbeln und versuchte, seine Gegnerin zu packen. Caterina aber nutzte seine Kopflosigkeit, stieß erneut zu und spürte, wie das Messer sich zwischen seine Rippen bohrte. Im selben Augenblick wurde der Mann schlaff und brach in sich zusammen.
Ranuccio wurde von dem Lärm hinter sich so überrascht, dass er für einen Augenblick wie erstarrt stand. Dann stieß er Bianca von sich weg und wirbelte herum. Diese nutzte seine Unaufmerksamkeit, riss seinen Dolch aus der Scheide und rammte ihm die Klinge von hinten bis ans Heft in den Leib. Ranuccio öffnete den Mund, doch es kam nur noch ein Gurgeln heraus. Dann knickte er ein und stürzte auf Borellis reglosen Leib.
Bianca sah auf ihren Peiniger hinunter und trat nach ihm, um zu sehen, ob der Mann sich noch rührte. Tatsächlich bewegte er sich noch und versuchte sogar, sich aufzurichten. Mit einem halbunterdrückten
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