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Die Löwin

Die Löwin

Titel: Die Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ab und sah sie erwartungsvoll an.
    Sie begriff, dass er sie betteln hören wollte. »Wenn Ihr mir nur etwas Wasser und Essen mitbringen könntet, würde ich Euch mit Freuden empfangen.«
    Es klang so weinerlich, als sei sie tatsächlich innerlich gebrochen, und Bianca hasste sich deswegen beinahe noch mehr als ihren Peiniger. Schlimmer aber war, dass Angst und Panik zunehmend ihr Denken lähmten und sie kaum noch eine Chance sah, dem ihr zugedachten Schicksal zu entkommen. Mit ihrer vorgetäuschten Freundlichkeit hoffte sie, das Unvermeidliche zumindest noch ein wenig hinausschieben zu können.
    Ranuccio griff ihr durch den zerrissenen Rock zwischen die Beine und stieß sie dann zurück. »Du bekommst erst dann etwas, wenn ich mit dir zufrieden war.«
    Hämisch lachend wandte er sich ab und schob einige seiner Männer aus dem Raum, die feixend zugesehen hatten. Einer warf die immer noch gefesselte und geknebelte Caterina wie ein Bündel Lumpen ins Zimmer und schloss die Tür. Bianca horchte einen Augenblick, stieß einen Fluch aus, für den ihr Beichtvater ihr gewiss einhundert Ave-Maria und Paternoster als Strafe aufgegeben hätte, und beugte sich dann über ihre Freundin, um deren Fesseln zu lösen und ihr den Knebel vorsichtiger herauszuziehen, als Ranuccio es bei ihr getan hatte.
    Caterina versuchte aufzustehen, doch ihre Glieder versagten ihren Dienst. Die Dämme in ihrem Innern brachen und eine Flut von Tränen quoll aus ihren Augen. Als Bianca sie umarmte, um sie zu trösten, klammerte sie sich mit zitternden Händen an ihr fest. »Sie haben alle unsere Freunde umgebracht! Ich habe gesehen, wie sie Malle die Kehle durchgeschnitten haben, genauso wie Friedel und deinem Bruder! Ich sehe immer noch ihr Blut … überall …! Es rinnt vor meinen inneren Augen, in meinen Träumen … Ich wünschte, ich wäre tot!«
    Bianca stöhnte und presste Caterina so stark an sich, dass diese kaum noch Luft bekam. Dann wurde ihr Gesicht mit einem Mal glatt und so hart, als sei es aus Stein gemeißelt. »Das hatte ich befürchtet, denn ich kenne Gesindel dieser Art. Möge Gott die Seelen meines Bruders und unserer Getreuen ungesäumt ins Paradies aufnehmen und ihnen das Fegefeuer ersparen. Wir werden sie gebührend betrauern – doch zu einer anderen Zeit. Jetzt sind wir es unseren Toten schuldig, uns selbst zu retten, damit wir sie rächen können. Borelli und Ranuccio werden miteinander hier auftauchen, um sich gegenseitig mit ihrer Männlichkeit zu übertrumpfen – und sie werden nicht lange damit warten. Komm, versuch aufzustehen. Wir müssen dafür sorgen, dass du deine Arme und Beine wieder benutzen kannst, und dann nach einer Waffe suchen.«
    Bianca massierte Caterinas rechten Arm und sah sich gleichzeitig forschend um, aber sie fand nichts Brauchbares. Die Banditen hatten alles entfernt, was zum Schlagen oder Stechen geeignet gewesen wäre.
    Während sie den Kerlen Seuchen und allerlei Bresthaftigkeiten an den Hals wünschte und Caterinas anderen Arm knetete, griff die in das mit festem Stoff und vielen Nähten versteifte Mieder ihres Unterkleids und holte das Messer heraus, das sich tief in das Kleidungsstück gebohrt und darin verhakt hatte. »Sieh her! Ganz so waffenlos, wie mein heimtückischer Vetter meint, sind wir nicht!«
    Bianca starrte die einschneidige Klinge an und vergrub ihr Gesicht in dem zottelig gewordenen Haar der Freundin. »Du bist die Beste! Jetzt werden wir den Kerlen eine böse Überraschung bereiten. Die glauben uns am Ende unserer Kräfte und erwarten keinen Widerstand. Willst du das Messer nehmen oder soll ich es führen? Besser ist es wohl, das Ding bleibt bei dir. Als ich deinen Vater auf seinen Kriegszügen zu begleiten begann, hat er mir ein paar Kniffe beigebracht, mit denen man sich einen aufdringlichen Kerl vom Leib halten kann. Das war auch nötig, denn Angetrunkene vergessen allzu leicht, dass man die Frau des Anführers in Ruhe lassen sollte – und wenn dein Vater selbst hätte reagieren müssen, wären ein paar gute Männer sinnlos gestorben. Also habe ich gelernt, mich selbst zur Wehr zu setzen.«
    Sie kicherte ohne Fröhlichkeit, stand auf und sah zum Fenster hinaus. Draußen breitete sich die hügelige Küstenlandschaft der Mark Pesaro aus und in der Ferne konnte man die Stadt und das dahinter liegende Meer erkennen. »Wir sind im Malatesta-Land. Doch Urbino dürfte nicht weit sein, und dort herrscht Antonio Montefeltro, ein Todfeind der Malatesta und des Gian Galeazzo

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