Die Löwin
oder an der falschen Stelle lachte, seinen Zorn erregte.
Während Malatestas Stimme von den Wänden der Festung widerhallte, erreichten Caterina und Bianca unbemerkt das weit geöffnete Tor und huschten hinaus. Draußen drückten sie sich in den Winkel, der vom Turm und der Wehrmauer gebildet wurde, und warteten, bis die Torflügel geschlossen wurden, denn sie befürchteten zu Recht, von den Wachen entdeckt zu werden, wenn sie sich mitten auf dem Weg befanden.
»Das ging besser, als ich erhofft hatte«, wisperte Bianca, als sie hörten, wie der Holzbalken innen vorgelegt wurde.
Caterina verschwendete keinen Gedanken auf das, was hinter ihnen lag, sondern blickte über die von einem Rest Abendröte in diffuses Licht getauchte Landschaft. »In welche Richtung müssen wir gehen, um das Gebiet der Montefeltro zu erreichen?«
Bianca zuckte mit den Schultern. »Das kann ich dir erst morgen sagen, wenn ich die Höhenzüge auseinander halten kann. Wir sollten uns auf jeden Fall links halten, wenn wir den Talgrund erreicht haben.«
»Dann komm! Ich glaube nicht, dass man uns von oben sehen kann.« Caterina warf noch einen Blick auf die Burg, in der hinter einigen Fenstern ein schwacher Lichtschein zu erkennen war, und fragte sich beunruhigt, wie lange es dauern würde, bis man die beiden Toten fand und nach ihnen suchte. Wenn sie entkommen wollten, mussten sie das letzte Quäntchen Kraft zusammenraffen, das ihnen geblieben war, um zumindest bis ins Tal zu gelangen und zwischen Zitronenhainen und Buschwerk Deckung zu finden.
Da Bianca wie gelähmt wirkte, nahm Caterina ihre Hand und zog sie den Weg hinab. Zu ihrem Glück bemerkte der Wächter auf dem Torturm sie nicht, obwohl der Lärm, den sie beim Gehen verursachten, in ihren Ohren hallte. Sie traten nämlich immer wieder in tiefe Löcher oder stolperten über Steine, die davonrollten, und für ihr Gefühl kamen sie nicht schneller voran als Schnecken auf einem Blatt. Nach einer Weile verließen Caterina die Kräfte. Sie stürzte über die nächste Unebenheit und blieb ausgepumpt liegen. Nun erwachte in Bianca der Wille zum Überleben. Sie zerrte ihre Freundin auf die Füße und stützte sie. Als dann wieder die Italienerin kraftlos stehen blieb, schob Caterina sie weiter, und so halfen sie sich gegenseitig, bis das Wachfeuer hinter den Zinnen der Burg zu einem winzigen Punkt geschrumpft war und der erste Schimmer des neuen Tages den Osthimmel färbte.
13.
A ls die Sonne über den Horizont stieg, erschien es Caterina und Bianca wie ein Wunder, dass sie in der Nacht nicht in einen Abgrund gestürzt waren. Allerdings hatten sie sich verlaufen und wussten nicht, welchen Weg sie einschlagen mussten, um nach Urbino zu gelangen. Sie zitterten vor Schwäche, ihre Füße schienen mit schweren Gewichten beladen zu sein und Hunger setzte ihre Mägen in Brand. Zu ihrem Pech gab es nur halbreife Früchte, die so hart und sauer waren, dass sie sie nicht einmal schlucken konnten. Daher mussten sie sich mit Wasser aus den Bächen begnügen.
Der Landstrich schien menschenleer zu sein. Nicht einmal einem Ziegenhirten begegneten sie, und es war so still, dass jedes Geräusch weithin hallte. Dieser Tatsache hatten sie es zu verdanken, dass sie früh genug vor der Reitertruppe gewarnt wurden, die hinter ihnen auftauchte. Sie verbargen sich in einem dichten Gebüsch und rollten sich auf der Erde zusammen, um nicht entdeckt zu werden. Dann sahen sie mit klopfenden Herzen zu, wie Ugolino Malatesta an der Spitze einer kleinen Reiterschar vorbeipreschte.
Als die Reiter hinter dem nächsten Höhenrücken verschwunden waren, drehte Caterina sich mit bleichem Gesicht zu Bianca um. »Wir können von Glück sagen, dass sie keine Hunde bei sich hatten. Die hätten uns gewiss gewittert.«
»Wenigstens wissen wir jetzt, dass wir nicht in diese Richtung weitergehen dürfen«, antwortete Bianca.
Caterina schüttelte den Kopf. »Das sehe ich anders! Malatesta sucht uns bestimmt nicht im Herrschaftsgebiet seiner Familie, sondern nimmt an, dass wir zu deren Gegnern fliehen. Also sollte dieser Weg uns geradewegs in die Freiheit bringen. Wir müssen nur aufpassen, dass wir nicht den Leuten in die Hände laufen, die er höchstwahrscheinlich kurz vor der Grenze aufstellen wird.«
»Dann solltest du zur Heiligen Jungfrau beten, damit sie ihren Himmelsmantel um uns schlägt und uns vor den Augen unserer Feinde verbirgt.« Bianca machte keinen Hehl daraus, dass sie nicht Caterinas Ansicht war, aber sie
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