Die Löwin
nach Macht und Größe inzwischen jede Grenze überschritten hatte, gezielt ein, um Angst und Schrecken zu verbreiten.
Arnoldo Caetani, der eine Weile fast regungslos auf der Terrasse gestanden hatte, drehte sich mit einer heftigen Bewegung zu Caterina um. »Ich bin nicht so begierig darauf wie du, die Mailänder kommen zu sehen. Doch danach dürfte die Schlange von einem Visconti wohl kaum fragen.«
Caterina hieb mit der Faust durch die Luft. »Wäre das Bündnis zwischen uns, Florenz und dem deutschen Fürsten Ruprecht von der Pfalz im letzten Jahr zustande gekommen, hätten wir die Möglichkeit gehabt, Gian Galeazzo aufzuhalten und ihm vielleicht sogar einen Teil seiner Eroberungen wieder abzunehmen.«
Hans Steifnacken stieß einen Fluch aus und blickte den Herzog, der eine solch grobe Sprache nicht mochte, um Entschuldigung heischend an. »Ist doch wahr! Wir hätten zusammen mit den Florentiner Truppen dem Pfälzer entgegenziehen müssen. Doch diese großsprecherischen Toskaner haben uns die Nachricht von Herrn Ruprechts Kommen erst überbracht, als dieser bereits vor Brescia gescheitert war. So kann man keinen Krieg gewinnen.«
Der Schwabe sah die Angelegenheit von der Warte eines Soldaten aus, der losmarschieren und zuschlagen wollte. Caterina und der Herzog hingegen wussten, dass selbst bei bester Planung zu viele Unwägbarkeiten geblieben wären und der Kriegszug des deutschen Fürsten auch bei ihrem Eingreifen zum Scheitern verurteilt gewesen wäre. Andererseits hätte jeder Versuch, dem Mailänder zu schaden, ihnen besser getan als hier in Molterossa wie eine Maus in der Falle zu sitzen und zu warten, bis der Hammer auf sie herabsauste.
Arnoldo Caetani schien sich nicht mehr mit den vertanen Chancen der Vergangenheit beschäftigen zu wollen, sondern blickte seinen Neffen auffordernd an. »Ist alles vorbereitet?«
Amadeo Caetani warf Steifnacken, der an der Brüstung stand und ebenso wie Botho wie hypnotisiert zu dem Visconti-Banner hinüberstarrte, einen fragenden Blick zu. Obwohl sein Onkel ihn zum Capitano-General seiner Truppen und damit auch zu Caterinas Vorgesetztem ernannt hatte, überließ der junge Mann die Ausführung der Befehle seinen untergebenen Offizieren und kümmerte sich auch nicht so um die Söldner, wie es in Caterinas Augen nötig gewesen wäre.
Es war, als hätte Steifnacken Amadeos Blicke im Nacken gespürt, denn er drehte sich um und entblößte die Zähne zu einem freudlosen Grinsen. »Alles, was wir tun konnten, ist getan, aber ich glaube nicht, dass es reichen wird, uns den Hals zu retten. Gian Galeazzo Visconti zieht in der Gegend mehrere Condottieri mit ihren Truppen zusammen. Von Henry Hawkwood und denen, die ihm unterstellt sind, haben wir schon genaue Kunde, und unseren Spähern zufolge soll tatsächlich auch Ugolino Malatesta im Anmarsch sein. Es gibt Gerüchte, die Mailänder Viper habe noch weitere Söldnerkompanien hierher befohlen. Offensichtlich will der Herzog der Lombardei uns zerquetschen wie eine Laus.«
Bei dem Namen Ugolino Malatesta glänzten Caterinas Augen rachsüchtig auf. »Das ist genau der, auf den ich gehofft habe!«
Der Herzog zeigte den Anflug eines Lächelns. »Ihr wollt das Werk an Eurem Vetter vollenden, das Euch vor zwei Jahren nicht gelungen ist? Vergesst dabei nicht, dass er sich mindestens ebenso intensiv wünschen dürfte, sich an Euch zu rächen – und ich fürchte, das wird ihm auch gelingen!«
Caterina schien nicht mehr zu interessieren, wie aussichtslos die Lage der Bewohner von Molterossa geworden war, denn sie stampfte mit den Füßen auf. »Ich will den Mörder meines Vaters tot zu meinen Füßen sehen!«
»Und ich ebenso!« Bianca erhob sich, trat an Caterinas Seite und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Wenn es einen Gott im Himmel gibt, wird er uns Borelli ausliefern.«
»Nach all dem, was in den letzten Jahren geschehen ist, möchte man bezweifeln, dass Gottes Gerechtigkeit existiert.« Der Herzog von Molterossa ballte in hilfloser Wut die Fäuste. Visconti war es mühelos gelungen, das von ihm ins Leben gerufene Bündnis gegen Mailand zu sprengen. Trotz all seiner Bemühungen hatten Misstrauen, Neid, Geiz und vor allem die Angst vor Gian Galeazzo die Allianz auseinander brechen lassen, und kurz darauf war Perugia dem Mailänder wie eine reife Frucht in die Hände gefallen. Das hatte wie ein Fanal des Untergangs gewirkt, und Herzog Gian Galeazzo konnte in rascher Folge sein Banner über Siena, Assisi, Bologna und
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