Die Löwin
Rodolfo rasch zu und hielt sie fest. »Jetzt ist alles gut!«
»Nichts ist gut!«, fauchte sie zurück. »Ich wäre Euch jedoch dankbar, wenn Ihr uns zu Antonio Montefeltro nach Urbino bringen könntet. Wir haben vorhin Malatesta mit etlichen Reitern beobachtet, die wohl immer noch auf der Suche nach uns sind, und wir haben nicht das Bedürfnis, denen zu begegnen.«
Dem konnte Rodolfo nichts entgegensetzen. Er hob Caterina auf sein Pferd, schwang sich hinter ihr in den Sattel und wendete den Rappen. Gaetano nahm sich Biancas an, und dann ritt die Gruppe in die Richtung zurück, aus der sie gekommen war. Rodolfo spürte, dass Caterina am ganzen Körper zitterte, und fragte sich, was man ihr während ihrer Gefangenschaft wohl alles angetan haben mochte. Sein Hass war so groß, dass er sich wünschte, Borelli wäre noch am Leben. In dem Fall hätte er ihn vor die Klinge fordern und mit Genuss in Stücke schneiden können.
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Sechster Teil
Die Löwin von Molterossa
1.
C aterina musste nur den Herzog von Molterossa ansehen, um sich über den Ernst der Lage im Klaren zu sein. Seit ihrer Flucht aus Borellis Gefangenschaft vor zwei Jahren war Arnoldo Caetani sichtlich gealtert und seine Haltung drückte Schwäche und Verzweiflung aus. Hatte er früher penibel auf seine Garderobe geachtet, so war er nun angezogen, als hätte sein Diener in die Kleidertruhe gegriffen, ohne hinzusehen. Sein Übergewand war von einem tiefen Blau, das fast schwarz wirkte, und wies keinerlei Stickereien und Verzierungen auf. Die Hosen bestanden aus einem grünen und einem purpurfarbenen Bein, und das Barett, das wie ein umgestülpter Beutel auf seinem Kopf saß, war schwarz und rot geviertelt.
Caterina trug ein hellblaues Kleid mit silbernen Stickereien und eine rotschwarze Schärpe als Abzeichen der Capitana der Eisernen Kompanie. Bianca, die neben ihr saß, war in kräftigen Grüntönen gekleidet, eine Farbe, die ihr ausgezeichnet stand und die ihren Eindruck auf Botho Trefflich nicht verfehlte. Dieser stand ganz in Rot und Schwarz gewandet neben Amadeo Caetani und starrte wie gebannt auf einen Hügel jenseits der Grenze des kleinen Herzogtums, auf dem provozierend das blausilberne Banner mit der Visconti-Schlange aufgepflanzt war.
Das Fahnentuch musste so groß sein, dass man das Zelt eines Capitano daraus hätte nähen können, denn es war trotz der Entfernung deutlich zu erkennen und führte den Bewohnern der Stadt und der Burg tagtäglich ihre Lage vor Augen. Molterossa war nur noch eine winzige Insel im weit ausgedehnten Machtbereich des Gian Galeazzo Visconti. Der Herr von Mailand hatte sein Herrschaftsgebiet in letzter Zeit noch einmal kräftig ausgedehnt und weitere Städte erobert oder zumindest unter seinen Einfluss gebracht. Trotz der geschickten und hinhaltenden Verteidigung durch Muzio Sforza Attendolo gehörte nun auch Perugia dem Visconti und dessen Condottiere stand wie so viele andere in Mailänder Diensten. Bald würde auch er gegen Gian Galeazzos Feinde ziehen, und es mochte sein, dass sein erstes Ziel Molterossa hieß. Caterina atmete tief durch, um den Ring um ihre Brust zu sprengen, den die angstvolle Erwartung täglich enger zog. Wen Herzog Gian Galeazzo auch immer schicken mochte – er würde es bald tun, um den kleinen Dorn zu ziehen, der ihm in diesem Teil seines Machtbereichs im Fleisch steckte.
»Hoffentlich schickt er Ugolino Malatesta!«, sagte Caterina zu niemand Besonderem.
»Mit ihm käme auch Borelli – und damit gäbe es wenigstens noch die Chance, diesen Verräter zum Teufel zu schicken, ehe wir selbst zur Hölle fahren. Dann würde die Seele deines Vaters endlich Ruhe finden. Ein Jammer, dass dein Dolch nicht tiefer gedrungen ist!« Biancas Stimme zitterte vor Hass.
Caterina nickte mit verkniffenen Lippen. Sie waren überzeugt gewesen, Borelli sei ebenso tot wie sein Kumpan Ranuccio. Später hatten sie erfahren, dass Malatesta Ärzte aus Pesaro gerufen hatte und es diesen gelungen war, den Schuft am Leben zu erhalten. Nach seiner Genesung war ihr Vetter in die Dienste Gian Galeazzo Viscontis zurückgekehrt und führte nun einhundert Lanzen an – oder, besser gesagt, etwa dreihundert üble Schufte, die er über die Freunde seines umgekommenen Vetters aus Plünderern und Marodeuren rekrutiert hatte. Er hatte schon so manches Dorf und Städtchen mit diesen Kerlen heimgesucht und übel darin gehaust. Wenn die Gerüchte nicht trogen, setzte ihn Gian Galeazzo Visconti, der in seiner Gier
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