Die Löwin
schien die Ohren des Herzogs nicht zu erreichen, Caetani starrte weiterhin ins Leere. Auf Caterina wirkte er wie ein Mann, dem ein Engel des Herrn bereits die Stunde seines Todes genannt hatte, und sein Neffe Amadeo hatte ebenfalls jegliche Zuversicht verloren. Das wäre weniger schlimm gewesen, würde der junge Caetani seine Mutlosigkeit nicht vor jedermann zur Schau stellen und damit auch andere mit seiner Hoffnungslosigkeit anstecken, während sich der Herzog zumindest den Söldnern und seinem Volk gegenüber den Anschein eines unerschütterlichen Kriegsherrn gab, der noch allen Grund hatte, an den Sieg zu glauben.
Caterina bedauerte nicht zum ersten Mal, dass Amadeo Capitano-General von Molterossa war und nicht Rodolfo. Damals, als der Conte D’Abbati ihnen geholfen hatte, Malatesta und Borelli zu entkommen, hatte sie gehofft, er würde sie nach Molterossa begleiten, um sich mit seinem Onkel auszusöhnen. Doch er hatte sie und Bianca nur bis Urbino geleitet und sie dem Stadtherrn Antonio Montefeltro vorgestellt. Dieser hatte sie wie verloren geglaubte Verwandte begrüßt und weder mit Kleidung noch mit Geld und Schmuck gegeizt, so dass Bianca und sie wieder als Edeldamen hatten auftreten können, und er hatte ihnen für die Heimreise eine starke Eskorte mitgegeben.
Rodolfo aber war nach einem beleidigend knappen Abschied mit seinen Männern aufgebrochen und in die Dienste des Markgrafen von Olivaldi zurückgekehrt, den Caterina nicht einmal im Stillen Großvater nennen wollte. Nun dachte sie fast sehnsüchtig an den energischen und findigen jungen Conte, dem es gewiss gelungen wäre, seinem Onkel Mut einzuflößen, anstatt mit einer verzweifelten Miene jedermann an die Schrecken zu erinnern, die Ugolino Malatesta und dessen Spießgeselle Borelli dem Ländchen Molterossa und seinen Bewohnern angedroht hatten.
2.
Am gleichen Tag, nur ein paar Stunden später, saß Leonello da Polenta, Marchese Olivaldi und Träger eines halben Dutzends weiterer Titel und Würden, auf dem Söller seiner alten Burg am Monte Vigese einem päpstlichen Legaten gegenüber, der mit Engelszungen auf ihn einredete. Jeden anderen römischen Würdenträger hätte der Marchese längst mit Hohn und Spott aus seiner Burg treiben lassen, und das mochte der Grund sein, der Seine Heiligkeit Bonifatius IX . dazu bewogen hatte, ihm den einzigen Mann zu schicken, der nicht Gefahr lief, wie ein unerwünschter Bettler behandelt zu werden – nämlich Olivaldis jüngeren Sohn Lorenzo da Polenta, den Titularbischof von Byrissa.
Aber auch diesem schien es nicht zu gelingen, den Panzer aus Abneigung und beleidigtem Stolz zu durchdringen, der seinen Vater wie eine uneinnehmbare Festung umgab. Mehr als einmal war er nahe daran aufzugeben, doch käme er unverrichteter Dinge zurück, würde es sein Ansehen in Rom arg schmälern. Es war jedoch weniger diese Befürchtung oder die Erinnerung an die flehentlichen Bitten des Papstes, eine Aussöhnung zwischen dem Heiligen Stuhl und seinem Vater herbeizuführen, die ihn hartnäckig bleiben ließ, sondern das Wissen um die Gründe, die den Papst bewogen hatten, ihn auf diese Mission zu schicken.
»Ich weiß, wie zornig Ihr auf Salvatore Tomacelli gewesen seid, mein Vater. Doch Seine Heiligkeit bittet Euch, ihm zu glauben, dass er dem jungen Mann nur aufgrund lügnerischer Angaben seine Huld gewährt hat. Er wurde von mehreren Seiten falsch informiert und war fest davon überzeugt, Ihr würdet Euch mit Tomacelli gütlich einigen.«
Da der Neffe des Papstes vor einigen Monaten an einer Seuche gestorben war, die Rom und das Latium heimgesucht hatte, fiel es Lorenzo da Polenta nicht schwer, Tomacelli alle Schuld an dem Zerwürfnis in die Schuhe zu schieben. Der Tod hatte auch in seiner Familie unbarmherzig zugeschlagen, und ausgerechnet diese Tatsache stellte nun die letzte Möglichkeit dar, den Sinn seines Vaters zu wandeln. Er beugte sich angespannt vor und blickte dem Marchese in die Augen.
»Ihr habt gewiss schon erfahren, dass mein Bruder – Euer Erstgeborener – nach kurzer Krankheit verstorben ist.« Er ließ diese Worte so beiläufig klingen, als wäre Luciano da Polenta ein Fremder für ihn gewesen. Da er seinem Bruder nie besonders nahe gestanden hatte, hielt sich seine Trauer über dessen Tod in Grenzen und seine zur Schau getragene Gleichgültigkeit entsprang nicht nur seinem Kalkül.
Der Marchese seufzte tief und nickte. »Diese Nachricht ist mir von dem Boten eines alten Freundes überbracht
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