Die Löwin
Niederlage bei Brescia hat der Pfälzer sich wieder in seine germanischen Wälder zurückgezogen. Bei Gott, wenn ich die Organisation seines Kriegszugs hätte übernehmen können, wäre ihm – und uns – der Sieg sicher gewesen!«
Rodolfos Miene war schier zu Stein erstarrt, als kämpfe der junge Söldnerführer mit sich selbst. Daher konnte Olivaldi nur hoffen, dass d’Abbati sich überzeugen ließ oder zumindest vorbehaltlos bereit war, seinen Schwur als Condottiere zu erfüllen.
»Noch ist nichts verloren«, fuhr der Marchese so gleichmütig fort, als plagten ihn keine Zweifel. »Zum Glück ist der Zauderer Antonio Venier in die Ewigkeit eingegangen und sein Nachfolger Michele Steno wird als Doge von Venedig der weiteren Entwicklung in und um Mailand mehr Aufmerksamkeit schenken. In Florenz scheint die Familie Medici mit Giovanni di Bicci nach den langen Wirren wieder eine führende Rolle zu spielen, und was Seine Heiligkeit betrifft, so wird er sich mit jedem verbünden, der ihn vor der Gier der Viper von Mailand beschützen kann. Zwischen diesen drei Mächten muss Einigkeit geschaffen werden, nur dann werden wir Visconti aufhalten und ihm einen Teil seiner Eroberungen entreißen können. Dafür muss als Erstes verhindert werden, dass das Visconti-Banner über Florenz aufgezogen wird.«
Rodolfo schüttelte sich, denn das, was er nun gehört hatte, widersprach allem, für das er bisher gekämpft hatte. »Glaubt Ihr wirklich, Gian Galeazzos Sohn Giovanni Maria würde zu einem mordlüsternen Tyrannen?«
Olivaldi stand auf, trat auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Der Bursche ist gerade vierzehn Jahre alt geworden und doch gibt es nichts Gutes über ihn zu sagen. Er vertreibt sich die Zeit mit geradezu bösartigen Übergriffen auf die eigenen Untertanen. Nach meinen Berichten soll er kürzlich seine Lieblingsbracke auf Kirchgänger gehetzt haben, die zur heiligen Messe gingen. Dabei wurde eine Frau so schwer verletzt, dass sie – falls sie überlebt – ihre Beine niemals mehr wird gebrauchen können.«
»Wenn das stimmt, wäre es wirklich nicht wünschenswert, Giovanni Maria als Nachfolger seines Vaters zu erleben.« Rodolfos Stimme klang immer noch zweifelnd, und er begann Fragen zu stellen, als sei er der Herr und der Marchese nur ein Bote. Olivaldi antwortete ihm mit offener Bereitwilligkeit und zögerte kein einziges Mal.
Mit einem Mal wurde Rodolfo sich seines Tuns bewusst und bekam einen hochroten Kopf. »Verzeiht, Euer Gnaden, ich wollte nicht unverschämt werden!«
Der Marchese winkte lachend ab. »Ihr braucht Euch nicht zu schämen! Ich bin froh um Euren Wissensdurst, denn er hat mir geholfen, mir selbst eine Reihe anderer wichtiger Punkte vor Augen zu führen und zu erkennen, wie viel noch geklärt werden muss. Wenn ich meine Verhandlungen beginne, wird man mir ähnliche Fragen stellen, und unser Gespräch hat mich bestens darauf vorbereitet.«
Er klopfte dem Jüngeren auf die Schulter und lud ihn zum Abendessen ein. »In diesen kritischen Zeiten benötige ich einen intelligenten Gesprächspartner. Mein Sekretär hat wohl eine schöne Schrift und ein ausgezeichnetes Gedächtnis, doch er zeichnet sich nicht durch die Kühnheit seines Gedankenfluges aus. Bleibt mein Gast, während ich meine nächsten Schritte überdenke, und übt Euch schon einmal darin, einem älteren Mann mit Rat zur Seite zu stehen.«
Rodolfo verstand durchaus, dass die ihm zugedachte Rolle viel Fingerspitzengefühl und Takt erforderte, doch sein Temperament und seine Neugier ließen sich nicht so schnell zügeln. »Was in Gottes Namen habt Ihr denn vor?«
Bevor er sich für seinen Mangel an Geduld entschuldigen konnte, hob der Marchese lachend die Hand. »Darüber reden wir bei Tisch, mein Guter.«
Olivaldi wirkte dabei so übermütig, als wäre er ein Jüngling im Vollbesitz seiner Kräfte und kein Mann, der schon die meisten seiner Zeitgenossen überlebt hatte.
4.
U golino Malatesta beendete den Rundgang durch das Lager seiner Kompanie mit einem Gefühl des Triumphs. Noch nie hatte er so viele Söldner kommandiert wie diesmal, und er war sich so gut wie sicher, dass der goldene Stab, den Herzog Gian Galeazzo dem obersten Befehlshaber des geplanten Feldzugs gegen Florenz in die Hand drücken würde, bald ihm gehören würde. Um sich mit dem Titel eines Capitano-Generals der Lombardei schmücken zu können, mussten seine nächsten Schritte von Erfolg gekrönt sein, aber daran hegte Malatesta keinen
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