Die Löwin
Feldherr, aber selbst ihm war klar, dass der Feind trotz seiner immer noch bestehenden Überzahl nicht mehr lange standhalten würde. Er sah seinen Vetter bereits mit blutbespritzter Rüstung vor den Onkel treten, der ihn gewiss mit Freuden an die Brust drücken würde, und fühlte, wie ihm das Erbe, nach dem er so lange gestrebt hatte, zu entgleiten drohte. Er schluckte mehrfach, um seinen trockenen Mund zu befeuchten, und wandte sich dann mit einer heftigen Bewegung an den Herzog. »Ihr werdet sehen, dass ich ebenso mutig zu fechten weiß wie Rodolfo, Oheim! Spart Euer Urteil daher auf, bis diese Schlacht geschlagen ist!«
Mit diesem Ausruf wandte er sich um, verließ den Turm und eilte zu seinen Gemächern. Dort rief er nach seinem Knappen, doch ein Diener, der ängstlich zur Tür hereinspähte, erklärte ihm, der junge Bursche hätte sich dem Ausfall angeschlossen.
»Dann musst du mir helfen, die Rüstung anzulegen. Mach rasch!« In diesem Augenblick hatten der Neid und die Eifersucht auf Rodolfo jeden Funken Angst aus Amadeo vertrieben, und er war bereit, eher zu sterben, als sich von seinem Cousin in den Schatten stellen zu lassen.
10.
R odolfos Eingreifen entlastete zwar die Eisernen, brachte aber Caterina in eine fatale Situation. Ihre Söldner stürmten nun voller Begeisterung gegen den wankenden Feind und achteten nicht mehr auf sie. Selbst die von Steifnacken bestimmten Leibwächter ließen sich von den anderen mitreißen, und da ihnen auch der Bannerträger folgte, musste Caterina notgedrungen mit ihnen reiten. Daher fand sie sich nach kurzem Galopp in der vordersten Schlachtreihe wieder und sah sich dem Feind gegenüber. Sofort zuckte eine Speerspitze auf sie zu, und es gelang ihr nur mit Mühe, die Waffe mit ihrer Klinge beiseite zu schlagen. Keinen Atemzug später musste sie sich eines Fußsoldaten erwehren, der ihre Stute mit einem Dolch angriff, um sie zu Fall zu bringen. Sie schlug zu, hörte den Mann schreien, und als sie die Klinge zurückzog, glänzte sie rot. Da wurde ihr klar, dass sie, wenn sie überleben wollte, ebenso verbissen würde kämpfen müssen wie die Männer um sie herum.
Kurz darauf entdeckte Steifnacken Caterina ungeschützt mitten im dichten Getümmel und stieß ein paar unflätige Flüche auf die pflichtvergessenen Leibwächter aus. Er befahl einer Gruppe von Lanzenknechten, die Capitana in ihre Mitte zu nehmen. Eine Zeit lang beschützten die Männer sie, doch als der Gegner immer schneller zurückwich, machten sie sich Hoffnungen, das halbfertige Lager des Feindes mit als Erste plündern zu können, und vergaßen ihre Befehle. So blieb Caterina nichts anderes übrig, als hinter den Lanzenknechten herzureiten. Doch auf halbem Weg verlegte ihr ein feindlicher Offizier den Weg.
Sie sah das blutige Schwert in seiner Hand und war wie gelähmt. Um Hilfe zu rufen hatte keinen Sinn, denn keiner ihrer Leute war nahe genug, um sie bei dem Geschrei und Geklirr um sie herum hören zu können. Also musste sie sich selbst zur Wehr setzen und hoffen, so lange zu überleben, bis jemand ihre Situation bemerkte und ihr zu Hilfe kam.
Sie bleckte die Zähne und hob ihre Waffe. »Kommt, Signore, wenn Ihr durch die Hand eines Weibes sterben wollt!«
Die Worte klangen in ihren Ohren wie die eines ängstlichen Mädchens, doch der Ritter zügelte sein Pferd und schob sein Visier hoch. Caterina fauchte leise, als sie Aldobrando di Muozzola erkannte, dem sie in Rividello das Leben gerettet hatte.
Muozzola starrte die Gestalt auf der grauen Stute an, die in ihrer schmucklosen Rüstung und dem heruntergelassenen Visier einen kriegerischen Eindruck machte, und dann auf den geteilten Rock, der sie als Frau auswies. Er hatte keinen Überblick über die Schlacht, und doch war ihm klar, dass Malatesta in seiner Borniertheit den Sieg schon verschenkt hatte, als die Eiserne Kompanie im Rücken seiner Truppen aufgetaucht war. Im Stillen wünschte er alle Qualen der Hölle auf diesen Mann herab, und hätte er ihn nun vor seiner Klinge gehabt, wäre er in Versuchung geraten, ihn zu erschlagen. Die Capitana der Eisernen aber ließ die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse in Rividello wieder in ihm aufsteigen, und er sah den Mob vor sich, der ihn in Stücke hatte reißen wollen. Damals hatte Caterina ihn gerettet, obwohl sie sich keinerlei Vorteil davon hatte versprechen können. Nun konnte er endlich seine Schuld abtragen.
Er ließ den Schwertgriff fahren, als sei er glühend heiß geworden, nahm
Weitere Kostenlose Bücher