Die Löwin
Borellis Nerven noch immer flatterten, gab er sich hart und unbeeindruckt. Er durfte keine Schwäche zeigen, sonst verlören Ranuccio und dessen Bande die Achtung vor ihm und brächten ihn ebenfalls um. Aus diesem Grund trat er zu den beiden Leichen, gab jeder einen kräftigen Fußtritt und sah dann zu, wie der eine Räuber sich über Eldenberg beugte, zwischen dessen Beine griff und dessen Geschlechtsteile abschnitt, als handele es sich um das Grün einer Rübe.
Ranuccio legte Borelli die Hand auf die Schulter. »Es ist geschafft, mio cugino. Wir sind am Ziel.«
Borelli atmete tief durch und nickte. »Du hast Recht! Ich habe die erste Stufe der Leiter erklommen, die mich zu Reichtum und Ruhm führen wird, denn nun bin ich der Capitano der Eisernen Kompanie. Jetzt werde ich die Ehren und Güter einheimsen, die mein Onkel und mein Vetter sich durch ihre lächerliche Ehrpusseligkeit haben entgehen lassen.«
»Hauptsache, du vergisst nicht, wer dir dabei geholfen hat, Sohn meiner Base!«
Ranuccios Worte klangen wie eine Drohung, und Borelli wurde bewusst, dass er seinen Vetter mit derselben Vorsicht füttern musste, als hätte er es mit einem Raubtier zu tun. Wenn er dabei nicht eher früher als später einen Weg fand, sich Ranuccios unauffällig zu entledigen, würde er selbst ein toter Mann sein, ehe er seine Pläne in die Tat umsetzen konnte. Das Beste mochte sein, einen Unfall zu arrangieren, sonst würde Ranuccios Bande den Tod ihres Anführers an ihm rächen. Vorerst aber konnten sein Vetter und dessen Männer ihm noch viele gute Dienste leisten. Er versetzte seinem Verwandten einen spielerischen Boxhieb und wies mit dem Kinn auf den toten Eldenberg.
»Mein Onkel hat das Feld gut für mich vorbereitet, denn Herzog Gian Galeazzo will ihm Perugia oder eine der anderen großen Städte als Erblehen überlassen. So ein Angebot auszuschlagen wäre doch reine Dummheit! Meinst du nicht auch, mein Guter?«
Bei diesen Aussichten glitzerten Ranuccios Augen begehrlich auf. »Ich glaube, du wirst ein prachtvoller Capitano del Popolo werden, Fabrizio! Vielleicht bringst du es sogar zum Grafen.« Ranuccio lächelte zufrieden, denn er rechnete sich aus, wie hoch er selbst im Schatten seines Vetters steigen mochte. Er musste es nur richtig anfangen, dann war zum Schluss er Capitano und Graf. Zuerst aber galt es, diese Sache zu einem guten Ende zu bringen.
»Wir werden uns jetzt zurückziehen, damit uns niemand bei den Kadavern sieht. Schließlich wollen wir doch dem guten Battista Legrelli die Ehre gönnen, als Monte Eldes Mörder dazustehen.« Ohne auf Borellis Reaktion zu warten, befahl er seinen Leuten, im Wald zu verschwinden.
Dann wandte er sich noch einmal um. »Wie geht es jetzt weiter?«
»Ich werde noch ein wenig warten, bis ihr euch in Sicherheit gebracht habt, dann ins Lager reiten und die Nachricht überbringen, dass ich meinen Onkel ermordet aufgefunden habe. Du wirst morgen wie geplant dort eintreffen, denn ich benötige einen Mann, auf den ich mich voll und ganz verlassen kann. Dieser verdammte Steifnacken wird garantiert Schwierigkeiten machen. Auch wenn er nur Unteroffizier ist, hat er doch zu den engsten Freunden des Capitano gehört. Ich werde ihn, sobald er das Maul aufmacht, zum gemeinen Soldaten degradieren und dich an seine Stelle setzen.«
»Warum soll ich nur Unteranführer werden und kein Offizier?«, fragte Ranuccio beleidigt.
Borelli winkte ab. »Du sollst mein verlängerter Arm in der Truppe sein, so wie Steifnacken der meines Onkels war. Offiziere bekommen die Stimmungen der Leute nicht so gut mit und können sie auch nicht so steuern wie ein Mann in dieser Position. Wenn meine Stellung gefestigt ist und wir eine einträgliche Condotta bei Visconti in der Tasche haben, mache ich dich natürlich zu meinem Stellvertreter.«
Das Versprechen genügte Ranuccio. Er zwinkerte Borelli zu und nahm Eldenbergs Pferd am Zügel. »Den Hengst wollte ich schon lange reiten.«
»Aber bitte nicht morgen, wenn du ins Lager kommst!«, rief Borelli erschrocken aus.
»Natürlich nicht! Glaubst du, ich will von diesen teutonischen Söldnern als Mörder ihres Capitano in Stücke gerissen werden? Diese Ehre würde eher dir zustehen, denn es war dein Dolch, der ihm den Lebenssaft aus dem Leib hat rinnen lassen.« Ranuccio schnalzte genüsslich mit der Zunge und zog das Pferd hinter sich her. Nach ein paar Schritten blieb er noch einmal stehen und drehte sich zu Borelli um.
»Was ist mit meinen Leuten? Soll ich
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