Die Löwin
betraten, denn Malle hatte geschworen, in jedem Gotteshaus, auf das sie unterwegs trafen, der Muttergottes und dem jeweiligen Kirchenheiligen zu danken, und sie hielt sich mit unerbittlicher Strenge an diesen Eid. Ob es Malles Frömmigkeit war oder einfach nur Glück, wusste Caterina nicht zu sagen, in jedem Fall durchquerten sie und ihre Begleiter ohne jeden Zwischenfall die südlich des Splügenpasses gelegenen Gebiete der Eidgenossenschaft und erreichten schließlich den Machtbereich Gian Galeazzo Viscontis, dessen Name immer häufiger fiel. Caterina hatte sich bislang nur wenig für die kursierenden Berichte und Gerüchte interessiert und ahnte daher nicht, in welches Spannungsfeld sie nun hineingeriet.
Als sie in die Nähe der Stadt Treviglio kamen, entdeckte Malle unweit der Straße eine kleine Kirche und lenkte ihr Maultier in diese Richtung, ohne Caterina zu fragen. Mit einem ärgerlichen Stöhnen folgte diese und geriet unvermittelt in ein Söldnerlager. Während sie die Krieger in ihrer bunten Kleidung und der schimmernden Wehr musterte, erinnerte sie sich an all die Gerüchte, über die andere Reisende eifrig disputiert hatten, aber sie begriff erst jetzt, dass auch Italien kein friedliches Eiland der Seligen war, auf dem einem die Trauben in den Mund wuchsen.
Einer der Begleiter Caterinas hatte die Truppe anhand ihrer Fahnen und Farben erkannt. »Die Kompanie gehört Perino di Tortona. Ein unangenehmer Kerl! Euer Vater ist bereits mehrfach mit ihm aneinander geraten und nimmt keinen Auftrag mehr an, der ihn an die Seite dieses Condottiere führt.«
Caterina zügelte das Maultier, das sie anstelle ihrer auf Rechlingen zurückgelassenen Stute ritt, und sah sich das Lager mit den schlichten Zelten der ärmeren Soldaten und den teilweise recht prunkvollen Unterkünften der Edelleute und Offiziere genauer an. So sieht also das Leben meines Vaters und meines Bruder aus, fuhr es ihr durch den Kopf, und sie stellte sich Jakob in einer ähnlich lächerlichen, hautengen Hose und einem gesteppten Wams vor, wie diese Männer sie trugen. Sie musste kichern.
Einige der herumlungernden Söldner waren auf die Gruppe aufmerksam geworden und kamen näher. Ein bärtiger Kerl mit einer Narbe auf der Wange verzog sein Gesicht zu einem Grinsen und formte mit den Händen Kurven in die Luft, die die übrigen Männer zum Lachen brachten. Anzügliche Rufe klangen auf, der Bärtige bewegte sein Becken vor und zurück und entblößte dann mit einem raschen Griff sein Glied. Einige seiner Kameraden taten es ihm gleich und urinierten ungeniert vor Caterina auf die Straße.
Malle schob sich mit ihrem Maultier zwischen ihre Herrin und die Soldaten und überschüttete sie mit einem Wortschwall, dem man nicht anmerkte, dass sie ihren romagnolischen Dialekt fast zwanzig Jahre lang kaum verwendet hatte. Als einige Söldner wütend die Fäuste ballten, schlossen sich die fünf Veteranen enger um Caterina und Malle und legten ihre Hände auf die Griffe ihrer Schwerter.
»Schön brav bleiben, Burschen. Ich habe nicht verlernt, Euresgleichen die Schädel zu spalten«, warnte Martin die Tortona-Söldner in schlechtem Italienisch.
»Ach so, ihr seid welche von uns! Buon viaggio, eine gute Reise wünschen wir euch noch.« Die Feindseligkeit der Soldaten war wie weggewischt und sie winkten der Gruppe lachend nach.
Während Caterina aufatmete, schimpfte Malle leise vor sich hin. »Gesindel! Wenn sie nicht für irgendeinen Herrn Krieg führen, werden sie zu Räubern, plündern arme Reisende aus und treiben dabei so schreckliche Dinge, dass es die Heilige Jungfrau erbarmen mag. Euer Großvater hat es Eurer Mutter nie verziehen, dass sie sich in einen Soldaten verliebt hat und mit ihm durchgebrannt ist. Selbst auf die Nachricht vom Tod seiner Tochter, den Euer Vater ihm pflichtschuldig mitgeteilt hat, kam keine Reaktion.«
»Meine Mutter ist mit meinem Vater durchgebrannt?« Caterina starrte ihre Dienerin überrascht an.
»Das ist schon lange her. Außerdem war Euer Vater ein Edelmann und keiner von diesem Banditengesindel, das sich hier herumtreibt.« Malle schnaubte verärgert, weil sie das mühsam vor ihrer jungen Herrin verborgene Geheimnis gedankenlos ausgeplaudert hatte.
Unterdessen hatte die Gruppe das Kirchlein erreicht. Die Tür stand offen und gab den Blick in das Innere frei. Caterina trat ein, beugte ehrfürchtig das Knie und bekreuzigte sich. Malle kniete nieder und betete in ihrer Muttersprache.
Caterina, deren Italienisch
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